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Soziales

Vom Gefängnis in die Freiheit – und jetzt?

Wer nach einer abgesessenen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen wird und in das normale Leben zurückkehrt, steht vor vielen Hürden. Die sogenannte „Resozialisierung“ ist ein großes Tabuthema, das zum Schutz aller viel mehr öffentliche Wahrnehmung brauche. Das war der einhellige Tenor bei einer hochkarätigen Fachtagung in Innsbruck.

Straftrechtler, Psychiaterinnen, klinische Psychologen, Staatsanwältinnen, Richter und Sozialarbeiterinnen aus ganz Österreich diskutierten bei einer Fachtagung an der Universität Innsbruck Bedingungen und notwendige Verbesserungen für die Re-Integration von ehemaligen Inhaftierten. Ganz grundsätzlich geht es unabhängig von der begangenen Tat darum, sich wieder gut im Alltag zurechtzufinden. In einem Alltag, der im Gefängnis verloren geht.

Verena Murschetz, Expertin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Innsbruck, sagt, dass es der Bevölkerung oft nur darum gehe, dass Menschen sehr lange inhaftiert werden sollen: „Mir geht es aber darum, was in und nach der Haft passiert. Und je mehr in der Haft mit den Menschen gearbeitet wird, je mehr ihnen ermöglicht wird, eine Tagesstruktur zu bekommen, den Umgang mit den Menschen zu lernen, sich fort- und weiterzubilden, desto eher schaffen diese Menschen es, sich zu resozialisieren.“

Tagung Haftentlassung
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Bei einer Tagung in Innsbruck wurde über Bedingungen und nötige Verbesserungen bei einer Haftentlassung diskutiert

Schwieriger Übergang in die Freiheit

Mit „Neustart“, „Brücke“ oder „Dowas“ gibt es mehrere Anlaufstelle, die Betroffenen hilft, wieder Fuß zu fassen. Es gibt viele Herausforderungen zu meistern. Wenn gesellschaftliche Vorurteile dazu kommen, werden Hürden fast unüberwindbar. Es sei ein prekärer und schwieriger Übergang, sagt Kristin Henning, die Leiterin von „Neustart Tirol“: „Wir wissen auch, dass die Zeit direkt nach der Haft eine ist, in der ein Rückfall am wahrscheinlichsten ist. In Haft ist man fremdbestimmt und muss auch nicht selbst Verantwortung übernehmen. In Freiheit steht man da und muss das Leben neu gestalten.“ Außerdem gebe es viele Erwartungen und Hoffnungen bei den ehemals Inhaftierten. „Dann kommen sie darauf, dass das alles doch nicht so einfach umzusetzen ist“, so Henning.

Ein zugespitztes Beispiel: Im Gefängnis braucht sich ein Täter nicht einmal darum kümmern, abends das Licht auszuschalten. Wieder auf freiem Fuß beginnt er bei Null.

Wohnen und Arbeit als große Herausforderungen

„Wohnen ist für alle Menschen in Tirol ein riesen Thema, aber erst recht für jemanden, der aus der Haft kommt und keine Kaution stellen kann. Das Thema Arbeit beschäftigt genauso. Menschen brauchen eine Existenzsicherung, Perspektive, Wohnung, Arbeit. All das schmälert die Wahrscheinlichkeit des Rückfalles und stellt damit die Sicherheit von uns allen sicher“, führt Henning aus.

Fachleute fordern deshalb bessere Begleitung und Therapiemaßnahmen für Straftätige bis hin zu besseren Chancen am Wohnungs- und Arbeitsmarkt nach der Haft.

Öffentlicher Diskurs wichtig

Laut Verena Murschetz ist es wichtig, diese Probleme in den öffentlichen Diskurs zu bringen und zu überlegen, wann Haft Positives bewirken kann: „Die Gesellschaft muss auch zustimmen, dass darauf Geld verwendet wird, dass mit den Menschen gearbeitet wird und sie nicht wie Tiere weggesperrt werden.“ Denn wenn den Inhaftierten die Rückkehr in die Gesellschaft gelingt, profitieren alle, sagt Kristin Henning: „Ich glaube mein größter Wunsch an die Gesellschaft wäre, zu verstehen, dass wir Straftätern nicht nur helfen, sich wieder einzugliedern, um ihnen etwas Gutes zu tun, sondern zum Wohl von uns allen und zur Vermeidung künftiger Opfer.“