Arno Kompatscher gibt eine Pressekonferenz
APA/WOLFGANG EDER
APA/WOLFGANG EDER
Politik

„Enorme Herausforderung“ nach Südtirol-Wahl

Nach dem Absturz der Südtiroler Volkspartei sitzt Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) innerparteilich für den Politologen Günther Pallaver zwar fest im Sattel, gleichzeitig dürfte die Koalitionsbildung für die SVP zu einer enormen Herausforderung werden.

„Wie die SVP eine Koalition zusammenbringen soll, weiß ich nicht“, sagte er am Tag nach der Wahl im APA-Gespräch. Die SVP sei jedenfalls keine Sammelpartei mehr und könne nicht mehr den Alleinvertretungsanspruch stellen.

Kompatscher „trotzdem gestärkt“

Auch sei die Volkspartei weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Die SVP erreichte nur mehr 34,5 Prozent und damit 13 Mandate (2018: 41,9 Prozent und 15 Mandate). Pallaver sah Kompatscher selbst jedoch auch durch das Vorzugsstimmenergebnis – trotz eines Minus in absoluten Zahlen – gestärkt. Bei der letzten Wahl hätten Kompatscher 57 Prozent der SVP-Wähler eine Vorzugsstimme gegeben, diesmal waren es 60 Prozent, rechnete der Südtirol-Experte vor. „Ich sehe den Landeshauptmann nicht angezählt“, bekräftigte Pallaver – zumal Kompatscher bereits bekannt hatte, die SVP in Krisenzeiten nicht im Stich zu lassen.

Jedoch mache es das Wahlergebnis für die SVP nun „unheimlich schwierig, eine Koalition zu bilden“. In Südtirol gelte ja ein Proporzsystem, nach dem die Landesregierung aufgrund der Stärke der Sprachgruppen im Landtag zusammengestellt werden müsse, erinnerte der Politologe. Nachdem die als mögliche italienischsprachige Koalitionspartner avisierten Lega und Fratelli d’Italia zusammen nur auf drei Abgeordnete kommen, fehlen der SVP mit diesen zwei Parteien noch Abgeordnete für eine Mehrheit. Selbst mit Hereinnahme der Zentrumspartei „La Civica“ würde man nur bei vier Abgeordneten landen – gemeinsam mit den 13 Abgeordneten der SVP würde man erst bei 17 halten, 18 seien aber für eine Koalition im 35 Sitze starken Landtag nötig.

Landtag „braucht Italiener“

Andere Parteien, die für eine Koalition in Frage kämen „haben keine italienische Vertretung“. Die Grünen etwa wären bislang mit einem italienischen Abgeordneten vertreten gewesen, diesmal nicht. Auch das Team K hätte diesmal keinen Italiener im Landtag. „Es braucht Italiener“, fasste Pallaver das Dilemma der Volkspartei zusammen: „Wie das ausgeht, ist diesmal schwer abzuschätzen.“ Eine mögliche Lösung wäre etwa, die Landesregierung von neun auf sieben Mitglieder zu verkleinern, womit nur noch ein Italiener benötigt würde. Eine zweite – „rein spekulative“ – Variante wäre, dass bei den Grünen ein Abgeordneter zurücktritt, der „Nachrücker“ wäre dann etwa eine italienischsprachige Frau.

Schwierigkeiten bestünden auch in „ideologischen Inkompatibilitäten“. Das gelte etwa für die Süd-Tiroler Freiheit, die ihre Abgeordneten auf vier verdoppeln konnte. „Die Volkspartei kann aber nicht mit einer Partei in eine Koalition gehen, die als ersten Programmpunkt die Selbstbestimmung hat. Das geht sich nicht aus“, analysierte Pallaver. Eine Variante wäre eine Koalition mit Fratelli, Lega, Civica und den Freiheitlichen. Damit stünde man bei 19 Abgeordneten und vier Italienern. Allerdings würde das auch eine Fünferkoalition bedeuten. Eine andere rechnerisch mögliche Variante wäre eine Koalition mit Team K, Partito Democratico und La Civica – womit man 19 Abgeordnete im Landtag und zwei italienische Vertreter an Bord hätte.

SVP und das Verhältnis zu Rom

Mit einer solchen Koalition würde die SVP jedenfalls den Alleinvertretungsanspruch der deutschsprachigen Minderheit aufgeben. „Die SVP muss hier den Realitäten ins Auge schauen“, mahnte Pallaver. Die SVP würde nur 45 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung vertreten, 55 Prozent hätten eine andere Partei gewählt: „Da kann man nicht sagen, dass sie die Minderheit vertritt.“

Bezüglich der Autonomiebestrebungen könnte sich das Verhältnis zur Regierung in Rom „abkühlen“, sollte es zu keiner Koalition der SVP mit den Mitte-Rechts-Parteien kommen. Dann könnte es sein, dass die diesbezüglichen Forderungen der SVP „nicht kommen, nicht so schnell kommen oder schleppend kommen“, erwartete Pallaver. Dabei ginge es um Zuständigkeiten, die Autonomie oder Minderheitenrechte seien keinesfalls gefährdet, sondern abgesichert, erinnerte der Politologe.