In der Stadt und dennoch umgeben von ländlicher Idylle liegt der neue Mühlauer Friedhof malerisch unter Bäumen mit dem Blick über Innsbruck. Nach dem Ersten Weltkrieg war der alte Friedhof bei der Kirche zu klein geworden. Der Tiroler Architekt Wilhelm Stigler gestaltete den neuen Friedhof mit einer eigenen Kapelle 1926 als eines seiner ersten Werke.
Grabmal mit Ausblick
Der junge, selbstbewusste Planer reservierte damals gleich den besten Platz für sich selbst, erzählt der Lokalhistoriker Andreas Rauch: „Willi Stigler hat entlang der Friedhofsmauer einen prominenten Platz für sein Grab geschaffen. Dieser liegt genau in der Achse zu der von ihm entworfenen Kapelle. Es ist der einzige Platz mit Ausblick durch die massive Friedhofsmauer.“
Friedhofstourismus
Das prominenteste Grab am Mühlauer Friedhof ist das des bedeutenden österreichischen Schriftstellers Georg Trakl. Dorthin pilgern Literaturbegeisterte aus aller Welt. Der tieftraurige Dichter nahm sich angesichts der Gräuel des Ersten Weltkriegs 1914 das Leben.
Ursprünglich war Georg Trakl in Kraukau beerdigt worden. Doch sein Förderer und Wegbegleiter Ludwig von Ficker, der Herausgeber der Kulturzeitschrift „Der Brenner“, ließ Trakl exhumieren und 1926 nach Mühlau transferieren. Dort ruhen nun die beiden Denker nebeneinander in einem Ehrengrab der Stadt Innsbruck.
Ein Platz am Dichterhügel
Die Lyrikerin Anna Maria Achenrainer hat ein Grab neben den beiden berühmten Schriftstellern. Sie hat ihre eigenen Werke sozusagen mit ins Grab genommen. Die Titel sämtlicher Publikationen sind aufgelistet, wie auf einem Stammbaum.
Der Tiroler Maler Wilfried Kirschl ruht in der Nähe von Georg Trakl und auch der 2020 verstorbene Innsbrucker Architekt Hanno Schlögl hat sich noch zu Lebzeiten ein Grab am „Dichterhügel“ gesichert.
Es liegt in Sichtkontakt zu einem seiner Bauwerke. Schlögl hat die Seilbahnstation auf der Innsbrucker Seegrube um- und ausgebaut. Das Familiengrab hat der Architekt persönlich entworfen und mit einem Zitat des Künstlers Heinz Gappmayr gestaltet.
Das ewige Gedächtnis
Es sei durchaus üblich, dass sich Menschen lange vor ihrem Tod Gedanken über die Gestaltung ihres Grabes machen, erzählt Andreas Rauch. Der Innsbrucker Antiquar Dieter Tausch habe sogar bereits seinen Namen und sein Geburtsdatum auf einer Stele eingravieren lassen, obwohl er noch unter den Lebenden weilt, erklärt der Mühlau-Kenner Rauch.
Aktuelle Botschaften über den Tod hinaus
Der international gefragte, in seiner Heimat allerdings nicht immer gefeierte, Künstler Lois Weinberger liegt nun auch in Tiroler Erde. Zur Bestattung spielte im Juni 2022 die Osttiroler Musikbanda Franui skurrile Trauermärsche.
Über dem Grab von Lois Weinberger ist ein „Wild Cube“ aus rostigem Stahl platziert. Es ist eine Mini-Variante des sogenannten Käfigs, der vor der Innsbrucker Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät 1991 für große Aufregung gesorgt hatte. Heute gehört Weinbergers Arbeit zum Stadtbild.
Weinberger gilt als Visionär, er hat sich lange vor den Klimaaktivisten intensiv mit dem Wechselspiel von Mensch und Natur beschäftigt. Als „Feldarbeiter“ wollte er die Natur schützen und so gedeihen im „Wild Cube“ Pflanzen, die sich selber aussähen.
Welches Bild bleibt?
Einige Menschen kümmern sich schon zu Lebzeiten um ihr „ewiges Gedächtnis“, wie es der Habsburger Kaiser Maximilian angesichts der um sein Grabmal in der Innsbrucker Hofkirche gruppierten echten und erfundenen Vorfahren ausgedrückt hat. Andere überlassen es der Nachwelt, welches Bild in den Köpfen der Menschen lebendig bleibt.
Friedhöfe sind Orte der Trauer und des Abschiednehmens. Friedhöfe sind aber auch Orte der Ruhe zum Innehalten und zum Nachdenken über das Leben.