Illustration zu Schule, Unterricht, Bildung (21.5.2019)
HANS PUNZ / APA / picturedesk.com
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Bildung

Lebenshilfe-Kritik an Sonderschul-System

Das System der Sonderschulen sei nicht gerecht und verkleinere die späteren Möglichkeiten der Menschen, so Georg Willeit, Geschäftsführer der Lebenshilfe Tirol. Zudem sei es mit dem Ansatz, Menschen mit psychischen oder körperlichen Einschränkungen bestmöglich in die Gesellschaft einzugliedern, nicht vereinbar. Er fordert eine umfassende Systemänderung.

„Wir als Lebenshilfe stehen jedenfalls für Selbstbestimmung und Wahl- und Barrierefreiheit für die Menschen“, betonte der Lebenshilfe-Geschäftsführer im APA-Gespräch. Eine wirkliche Wahlmöglichkeit, auch wenn es oft so argumentiert werde, sei eine Sonderschule nicht. Das bestehende System mache darüber hinaus Inklusionsbemühungen in den Wohnortgemeinden oft zunichte: „Kinder wachsen oft inklusiv auf, sind in die Gemeinschaft vor Ort integriert und müssen dann mehrere Kilometer in die Sonderschule fahren.“ Das führe oftmals dazu, dass sie Schritt für Schritt aus der Gemeinschaft herausfielen.

Inklusion auch beim Wohnen

Statt einer solchen, aufgezwungenen Separation gelte es, insgesamt für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen einzutreten, sagte Willeit: „Dabei ist die Schule natürlich ein wichtiger Baustein, aber es gibt viele Bereiche, in denen es ebenfalls anzusetzen gilt.“ Das Thema Wohnen etwa sei absolut entscheidend: „Die Menschen sollen später bestenfalls dort wohnen, wo alle anderen auch wohnen.“ Dadurch verändere sich einiges: „Es wird dann ganz alltäglich neben einem Menschen mit Behinderung zu wohnen.“

Gehalt statt Taschengeld

Weiters machte Willeit den Bereich Arbeit als wesentlich aus: „Hier fordern wir schlicht und einfach Gehalt statt Taschengeld.“ Unternehmen sollten sich außerdem bewusst um Menschen mit Behinderungen bemühen: „Das beginnt etwa damit, wie und mit welcher Sprache Ausschreibungsprozesse vonstattengehen und welche Zielgruppen anvisiert werden.“

 Bus und Tram bei Nacht
Thomas Holzmann
Auch Fahrpläne und Busnummern gehören auf ihre Verständlichkeit für Menschen mit Behinderung analysiert, so Willeit.

Auch die Gemeinden oder die Öffis seien in der Pflicht, meinte der Lebenshilfe-Geschäftsführer: „Da muss analysiert werden, ob Fahrpläne, Busnummer oder ähnliches überhaupt verständlich genug sind.“ Auf der symbolischen Ebene sei da vieles möglich. „Man kann zweifellos auch mit Piktogrammen erklären, wo genau der Müll zu entsorgen ist“, führte Willeit aus.

Politik müsse geltendes Recht umsetzen

Auf politischer Ebene müsste eigentlich „nur geltendes Recht umgesetzt werden“, so Willeit und verdeutlichte: „Eigentlich muss nicht mehr darüber diskutiert werden, dass Inklusion in den Bereichen Schule, Wohnen und Arbeit das ‚A und O‘ wäre.“ Wichtige Schritte seien aber, auch auf Landesebene, bereits gesetzt werden: „Das Tiroler Teilhabegesetz, mit dem das Land die gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit Behinderung fördern will, ist schon einmal gut.“ Jetzt sei aber wichtig, dass der „Tiroler Aktionsplan“ umgesetzt werde.