Gepatsch-Stausee im Kaunertal
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Wirtschaft

Streit um Alternativen zu Kaunertalkraftwerk

Die Naturschutzorganisation WWF sieht keinen Bedarf für das geplante Pumpspeicherkraftwerk Kaunertal. Man verweist auf Alternativen wie Photovoltaik oder Batteriespeicher. Für die Tiwag führt an dem Projekt kein Weg vorbei, wenn man 2050 energieautonom sein wolle.

Bei einer von der Naturschutzorganisation WWF veranstalteten Konferenz am Freitag in Innsbruck haben die Teilnehmer um Alternativen zum geplanten Pumpspeicher-Kraftwerksprojekt Kaunertal des landeseigenen Tiroler Energieversorgers Tiwag geworben. Dabei wurde vor allem der Ausbau der Photovoltaik sowie jener von Batteriespeichern befürwortet.

Gebirgstal mit großem Transparent
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Der WWF demonstrierte in diesem Sommer im Platzertal, wo ein Speicher errichtet werden soll

Der Energiewirtschaftler Jürgen Neubarth hatte im Auftrag des WWF eine Studie zur energiewirtschaftlichen Einordnung erstellt. Er kam darin zum Schluss, dass es das Pumpspeicherkraftwerk nicht brauche, da Österreich und Tirol bereits über genügend Kapazitäten verfügten. Außerdem sollte ein solches dort errichtet werden, wo es bereits zwei bestehende Speicher gebe und kein neuer errichtet werden müsse. Zudem sollte der Netzausbau forciert werden, um mehr Flexibilität beim Lastenmanagement zu erreichen, hieß es bei einem Pressegespräch im Rahmen der Konferenz.

Zwei Männer und eine Frau im Olympischen Dor
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Jürgen Neubarth, Karl Schellmann und Vera Immitzer verwiesen auf Alternativen zum Kraftwerksbau

Großbatteriespeicher wie in Deutschland

Eine Alternative sah Neubarth jedoch in Großbatteriespeichern. In Deutschland würden solche mit einer Leistung von 300 Megawatt bereits errichtet – dies entspreche einer ähnlichen Leistung wie beim Pumpspeicherkraftwerk Versetz. Die Investitionskosten pro Kilowattstunde seien vergleichbar, der Flächenverbrauch sei beim Pumpspeicher jedoch höher, meinte der Experte. Dass die Lebensdauer mit derzeit zehn bis 20 Jahre bei Batteriespeichern im Vergleich zum Pumpspeicher (90 bis 100 Jahre) wesentlich kürzer sei, sah Neubarth als Vorteil. Nachdem sich die Technologien rasant weiterentwickeln würden, könne dann wieder darauf reagiert werden. Die Ablehnung der Technologie sah er im Wettbewerb begründet.

Tirol „Schlusslicht“ bei Photovoltaik

Vera Immitzer, Geschäftsführerin von Photovoltaic Austria, rechnete vor, dass die Hälfte aller Tiroler Haushalte – dies entspreche 80.000 Anlagen – dieselbe Energie wie im Kaunertal erwirtschaften könnten. Mit dem Ausbau der Photovoltaik-Anlagen in Tirol zeigte sie sich nicht zufrieden: „Aktuell werden erst 15 Prozent der PV-Strommenge erzeugt, die wir bis 2030 brauchen. Damit gehört Tirol zu den Schlusslichtern Österreichs.“ Sie ärgerte sich außerdem über eine wenig „PV-freundliche Bauordnung“ in Tirol, die im österreichweiten Vergleich besonders streng sei. Auch das Elektrizitätsgesetz sei zu streng, monierte Immitzer.

Photovoltaik-Anlage auf Wiese
Hermann Hammer
Kritik wurde an einer zögerlichen Umsetzung von Photovoltaik in Tirol laut, im Bild das Photovoltaik-Kraftwerk bei Stans

Kritik an hohem Energieverbrauch in Tirol

WWF-Vertreter Karl Schellmann wiederum geißelte den hierzulande nach wie vor hohen Energieverbrauch. Hier bedürfe es bei Gebäudedämmungen, im Verkehr und in der Industrie weiterer Anstrengungen. Er verwehrte sich außerdem dagegen, erneuerbare Energieformen gegeneinander auszuspielen und erinnerte daran, dass der Kampf den fossilen Energieträgern gelten sollte. Schellmann meinte, dass Klima- und Biodiversitätskrise zusammengehören würden und es „globale Anstrengungen“ brauche. „Man kann die Natur nur schützen, wenn die Rahmenbedingungen passen“, hielt er fest.

Tiwag: Woanders fehlt Speichermöglichkeit

Der Projektleiter der Tiwag für das geplante Pumpspeicherkraftwerk, Wolfgang Stroppa, sagte gegenüber dem ORF, Photovoltaik und Wind fehlten die Speichermöglichkeit. Am Ende des Tages gebe es kein „entweder – oder“, sondern nur ein miteinander. Er verwies dabei auch auf die Notwendigkeit, Energie zu sparen. Ein Pumpspeicherkraftwerk brauche zwei Becken und eines sei vorhanden. Das Ganze woanders zu bauen, gehe geografisch leider nicht. Letztlich brauche es einen Mix von allem, so Stroppa.

Gepatsch-Stausee im Kaunertal im Herbst
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Mit dem Gepatschsee gibt es im Kaunertal ein Becken, für ein Pumpspeicherkraftwerk soll im Platzertal ein zweites entstehen

Inbetriebnahme für die Dreißiger Jahre geplant

Das Kraftwerksprojekt hatte erst im Sommer von der Umweltbehörde des Landes im laufenden UVP-Verfahren einen Verbesserungsauftrag erhalten. Die Überarbeitung werde noch bis 2024 dauern, hieß es. Trotzdem zeigte die Tiwag optimistisch, dass der Bescheid im Jahr 2027 ergehen werde. Die Inbetriebnahme der verschiedenen Kraftwerksstufen sei für die Jahre 2032 bis 2034 geplant.

Für Tiwag-Vorstand Pumpspeicherkraftwerk alternativlos

Für Tiwag-Vorstand Alexander Speckle sind Pumpspeicherkraftwerke – wie im Kaunertal geplant – „die Zukunft“. Drei Fußballfelder Photovoltaik-Anlagen sowie drei Fußballfelder an Batteriespeichern in jeder Gemeinde Tirols wären nötig, um dieselbe Energie zu gewinnen. Er führte ins Treffen, dass bei PV und Batteriespeichern die Themen Rohstoffgewinnung sowie Lebensdauer zu wenig betrachtet würden. Der Strombedarf würde zudem bis 2050 um das Dreifache steigen, der Volatilität bei der Energiegewinnung bei Erneuerbaren könne nur durch Pumpspeicherkraftwerke entgegnet werden.