Kälber im Freilauf am Auhof
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Landwirtschaft

Technik und Tierwohl in der Milchwirtschaft

Milchwirtschaft und Tierwohl werden immer wieder kritisiert. Konsumenten wollen zunehmend eine nachhaltige und tiergerechte Landwirtschaft. Oft heißt es, das sei wirtschaftlich kaum möglich. In einem Milchviehbetrieb im Ausserfern will ein junges Paar das Gegenteil beweisen.

Der Auhof in Ehenbichl bei Reutte wurde 2019/2020 gebaut. Obwohl es sich um einen konventionellen Milchviehbetrieb handelt, haben die 75 Milchkühe und das Jungvieh an jedem Tag im Jahr freien Auslauf und insgesamt 19 Hektar Weidefläche. Anbindehaltung gibt es nicht. Dominik Ruland und seine Lebensgefährtin Maria Meier – beide sind Mitte zwanzig und seit einem Jahr Eltern einer Tochter – bewirtschaften den Auhof als Heumilchbetrieb gemeinsam. Sie sind davon überzeugt, dass das Tierwohl zur Wirtschaftlichkeit einer Landwirtschaft beiträgt.

Büro über dem Stall, Auhof Ehenbichl
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Büro mit Aussicht auf den Stall. So kommen die Informationen über die Milchkühe nicht nur über den Computer

Milchleistung steigt mit Wohlbefinden

„Wir haben festgestellt, dass es die beste Milchleistung gibt, wenn sich die Kühe wohlfühlen. Wenn sie ausreichend zu fressen und zu trinken haben, wenn sie stressfrei entscheiden, wo sie liegen wollen und ob sie bei Schnee oder Regen draußen oder drinnen sein wollen. Einfach, wenn es ihnen gutgeht,“ erzählte Dominik Ruland beim ORF Tirol Besuch am Auhof. Das betreffe auch die Kälberhaltung. Maria Meier ergänzte: „Bei uns leben sie in der Gruppe, der Stall ist mit Stroh eingestreut und sie können frei auch in einen Außenbereich.“

Kühe auf Liegefläche im Freilaufstall
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Gemeinsame Ruhepause: Die Liegeflächen sind leicht erhöht und mit weichen Gummimatten ausgelegt

Auch die Kälber dürfen ins Freie

Die meisten Kälber leben bis zur Schlachtung nur wenige Wochen, einige werden an Mastbetriebe in Österreich weiterverkauft, andere direkt im Bezirk geschlachtet. Einige bleiben aber auch am Hof als künftige Milchkühe. Zwei Stiere werden in Kürze als Tiroler Jahrlinge geschlachtet. Bis es soweit ist, wird auf ihr Wohl geachtet. Auch die Jungstiere können sich in einem eigenen Stallbereich frei bewegen, sie werden zu zweit gehalten.

Kälber im Freilauf am Auhof
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Auch die Kälber können sich aussuchen, ob sie im Stall bleiben oder lieber ins Freie wollen

Die Milchkühe bekommen zum Abkalben große eingestreute Boxen. In der in Tirol immer noch üblichen Anbindehaltung müssen sie in vielen anderen Ställen ihre Kälber angebunden an ihrem Stand gebären.

Mit dem Chip zum Futterstand

Wasser und Heu stehen am Auhof rund um die Uhr zur freien Verfügung. Das Kraftfutter ist auf jede einzelne Milchkuh genau abgestimmt. Mit dem Chip an ihrem Halsband holt sich jede Kuh im Futterstand computergesteuert ihre Ration ab. „Achtmal täglich wird so das Kraftfutter gegeben. Das ist besser für den Magen, als wenn sie große Mengen auf einmal frisst,“ erklärte Dominik Ruland.

Freie Platzwahl im Stall

Im Laufstall der Milchkühe gibt es zwar auch den vielkritisierten Spaltenboden, durch den ihr Mist fällt. Sie haben aber eigene trockene Liegeflächen, die mit Gummimatten ausgelegt sind. Sie können sich in dem großen Stall frei bewegen. Eine automatische Bürste und eine Wasser-Sprühanlage sorgen für zusätzliches Wohlbefinden. Der Sprühnebel senkt die Stalltemperatur bei sommerlicher Hitze um bis zu zehn Grad. Er wird bei Bedarf eingeschaltet.

Automatische Kuhbürste mit Kuh
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Einmal striegeln bitte: solche automatischen Kuhbürsten haben schon in vielen Laufställen Einzug gehalten und werden gerne angenommen

Gläserne Kühe mit Sender im Magen

Um jederzeit von jeder Kuh Informationen zu erhalten, tragen alle Milchkühe sogenannte Boli in ihrem Lab-Magen. Das sind Sender, über die der Bauer via App am Handy ständig über den Gesundheitszustand der Kuh informiert wird. Gläserne Kühe mit Sender im Magen. Geht das nicht zu weit? Ist das wirklich noch tiergerecht? Dominik Ruland ist der Überzeugung, dass sie dem Bauern großen Nutzen bringen und dem Tier nicht schaden. „Ich kann damit abfragen, ob die Kuh genug gefressen und getrunken hat, ob sie Fieber hat oder Untertemperatur, ob sie besamt werden kann oder ob die Geburt des Kalbs unmittelbar bevorsteht. Das sind alles Vorteile, auch für das Tier.“

Landwirt Dominik Ruwohl zeigt einen Bolus: einen Sender, den alle seine Milchkühe im Magen tragen
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Landwirt Dominik Ruland zeigt einen Bolus, einen Sender, den alle seine Milchkühe im Magen tragen. Die Kuh verschluckt ihn über einen sogenannten Eingeber.

Kalkuliert bis ins kleinste Detail

1,5 Millionen Euro hat der neue Stall gekostet. Alles ist genau durchkalkuliert. Der moderne Melkstand, in den die Kühe in der Früh und am Abend selbständig treten, kann von einer Person bedient werden. Täglich bringen die Kühe verschiedener Hochleistungsrassen am Auhof 800 Liter Milch. Die Investitionen sollen sich in 25 Jahren rechnen. Die junge Bauernfamilie ist überzeugt davon, dass Milchwirtschaft und Tierwohl kein Widerspruch sein müssen. Und dass es sich für die Bauern trotzdem rechnet. „Wir sparen bei der Energie zum Beispiel, indem wir das Licht früher aus und später einschalten, oder wir lassen das gemähte Gras länger draußen in der Sonne, damit der Heutrockner nicht so lange läuft. Am Tierwohl wird nicht gespart, was die Kuh braucht, das kriegt sie auch.“ Geplant ist als nächstes eine Photovoltaikanlage auf dem großen Dach des Stalls. So soll eigene Energie erzeugt und Kosten eingespart werden.