Hitze: Ein Bauarbeiter auf eine Baustelle im Sommer
APA/ROLAND SCHLAGER
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Soziales

ÖGB ortet Ausbeutung bei Leiharbeitsfirmen

Der ÖGB hat Lohn- und Sozialdumping im Leiharbeitsbereich in Tirol geortet. Die Gewerkschaft PRO-GE setzte betroffenen Firmen ein Ultimatum bis 15. Jänner, um die Missstände zu beheben und die Gewerkschaft zu kontaktieren, hieß es bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Andernfalls drohte die Gewerkschaft mit namentlicher Nennung der „schwarzen Schafe“ und weiteren Schritten. Man strecke damit noch einmal die Hand aus: „Unsere Telefonnummer ist bekannt“, hieß es. Generell bemühe man sich bei Problemen und Missständen um eine direkte Lösung mit betroffenen Betrieben, betonten Landesgeschäftsführer Thomas Giner und Bernhard Höfler, zuständiger Sekretär und Vorstand der Arbeiterkammer Tirol.

„Der Bogen ist überspannt“

„Wir schreiben nicht gleich Drohbriefe, wir rufen an.“ Das gelinge oft, weil auch Betriebe ein Interesse daran hätten, dass bei ihnen rechtlich sauber gearbeitet werde. Dennoch gebe es in der Branche mit rund 3.000 Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern in Tirol – darunter ein Drittel Frauen – weit verbreitete Missstände auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Wir sind es leid zu sehen, wenn sich Arbeitskräfteüberlassungsbetriebe aus dem Aus-, aber auch aus dem Inland nicht an geltende Gesetze halten“, begründete Höfler den nunmehrigen Weckruf für die Branche: „Der Bogen ist überspannt.“

Schimmel und schlechte Zustände in Wohnungen von Leiharbeitskräften
PRO-GE/ÖGB Tirol
Bernhard Höfler ist zuständiger Sekretär der Gewerkschaft PRO-GE Tirol und Vorstand der AK Tirol

Ungerechtfertigte Abzüge vom Lohn

Die Problematik reiche dabei von Reutte bis nach Osttirol. „Corona war hier auch Brandbeschleuniger“, so Höfler. Abrechnungen seien teilweise „jenseits von Gut und Böse“. Es gebe Zeitarbeitsfirmen, bei denen die Entlohnung nicht den gültigen Vorgaben entspreche. Oft sei auch etwa die korrekte Abrechnung von Unterbringungskosten oder Diäten bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die mehr als 120 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt eingesetzt würden, ein Problem. Statt diese wie gesetzlich vorgesehen zu übernehmen, würden Arbeitgeber diese teilweise den Arbeitnehmerinnen vom Lohn abziehen.

Man habe dadurch schon Lohnzettel mit unter 1.000 Euro bei Vollzeitarbeit gesehen – und das bei einem eigentlich hohen Mindestlohn von über 2.000 Euro in der Branche. Außerdem seien Unterkünfte für Leiharbeiterinnen und -arbeiter mitunter indiskutabel ausgestattet. Das betreffe zum Beispiel hygienische Zustände bei Küchengeräten, starke Abnutzungen oder Schimmelbefall.

Auf die Frage von betroffenen Leiharbeiterinnen und -arbeitern an die Arbeitgeber, ob die Unterkünfte nicht sauber angeboten werden können bzw. die Betten sauber zur Verfügung gestellt und die Mängel behoben werden können, habe es oft keine unterstützenden Antworten gegeben. Im Gegenteil: „Da war die Antwort, dass die Leiharbeiterinnen das selber machen sollen, denn sie sind ja dafür da, dass sie arbeiten, und nicht um schön in luxuriösen Unterbringungen untergebracht zu werden“, schildert Höfler.

Fremdsprachige besonders betroffen

Oft würden Probleme bei Firmen aus dem Ausland und fremdsprachigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufschlagen, berichteten die Gewerkschafter. Die Arbeitnehmer wüssten nicht über die rechtliche Lage Bescheid und würden sich aus – verständlicher – Angst vor Arbeitsplatzverlust nicht beschweren. Schließlich würden einige hierzulande trotz Missständen noch besser verdienen als in ihren Herkunftsländern.

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Schimmel und schlechte Zustände in Wohnungen von Leiharbeitskräften
PRO-GE/ÖGB Tirol
In manchen Unterkünften von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern seien die Wohnverhältnisse äußerst schlecht
Schimmel und schlechte Zustände in Wohnungen von Leiharbeitskräften
PRO-GE/ÖGB Tirol
In manchen Unterkünften von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern seien die Wohnverhältnisse äußerst schlecht
Schimmel und schlechte Zustände in Wohnungen von Leiharbeitskräften
PRO-GE/ÖGB Tirol
In manchen Unterkünften von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern seien die Wohnverhältnisse äußerst schlecht

Die Gewerkschaft wolle jedoch bei allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sicherstellen, dass diese fair und gleich bezahlt werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen. „Wir stoßen aber auch oft auf eine Sprachbarriere“, räumte Giner ein. „Leiharbeitskräfte verdienen die gleiche Behandlung wie Beschäftigte in Stammunternehmen und sind per Gesetz dahingehend abgesichert“, betonte der Gewerkschafter.

„Viele Firmen betroffen“

Wie viele Betriebe das betreffe, wollten Höfler und Giner nicht konkretisieren: „Um den Arbeitgebern auch die Chance zu geben, mögliche Missstände zu beheben.“ Es seien jedenfalls viele Firmen betroffen. Generell betonten beide ihre starke Unterstützung für die Sozialpartnerschaft.

Man wolle auch nicht gegen die Unternehmen arbeiten, vielmehr orte man auch bei den Betrieben selbst das Interesse, dass in Sachen Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern rechtliche Bestimmungen eingehalten würden. Immerhin brächten die „großen Errungenschaften“ des Kollektivvertrags und des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes auch den Firmen einen großen Vorteil, nämlich Wettbewerbsgleichheit.

Forderung nach richtiger Entlohnung

Die Gewerkschaft will nun in den kommenden drei Monaten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anschreiben und Unterlagen sammeln. Die Leiharbeitsfirmen und Betriebe selbst werden aufgefordert, sich zu melden und in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft eventuell bestehende Probleme zu lösen. Dabei mahnten die Gewerkschafter: „Der Kollektivvertrag gilt auch für Überlasser aus dem Ausland. Alle Kolleginnen und Kollegen, die in Österreich arbeiten, haben selbstverständlich das Recht, nach österreichischen Regelungen gleich behandelt bzw. bezahlt zu werden.“

Außerdem hätten auch Betriebe, die Leiharbeiterinnen und -arbeiter anforderten, Sorge dafür zu tragen, dass bei ihnen rechtlich sauber gearbeitet werde – nicht nur die Leiharbeitsfirmen. „Leiharbeit muss richtig entlohnt werden und teurer sein, ansonsten wird sie nicht nur zunehmend zum Problem für Stammarbeitskräfte, sondern öffnet auch Lohn- und Sozialdumping Tür und Tor“, warnte Giner.