Peter Zoller und Rainer Blatt gelten weltweit als Pioniere auf dem Gebiet der Quantenoptik und Quanteninformation und zählen zu Österreichs meistzitierten Wissenschaftern. Bereits Mitte der 1990er-Jahre haben sie an der Universität Innsbruck, gemeinsam mit ihren Fachkollegen und -kolleginnen, den Grundstein für die Entwicklung neuer Quantentechnologien wie den Quantencomputer gelegt.
Einmal Physiker, immer Physiker
Mit 68 Jahren wurden die beiden an der Universität Innsbruck emeritiert, arbeiten aber mit einem Sondervertrag noch bis September 2023 mit einer 50-prozentigen Anstellung. Mittlerweile sind sie fast 71 Jahre alt (ihre Geburtstage liegen nur eine Woche auseinander), aber ans Aufhören denken die Physiker noch nicht.
„Wir haben viele Experimente, die noch länger tragen. Deshalb haben sich die Universität und die Akademie der Wissenschaften überlegt, dass wir in einer gewissen Fadeout-Phase, die Experimente fortführen und unsere Erfahrungen weitergeben. Ich hoffe, dass es mit noch etwas weniger Aktivität doch noch weitergehen kann, denn die Arbeit macht nach wie vor Spaß“, erklärte Experimentalphysiker Rainer Blatt im ORF-Interview.
Peter Zoller, theoretischer Physiker, ergänzte: „Die Dinge laufen momentan eigentlich so gut, dass es fast irgendwie schändlich ist, daran zu denken, dass man seine Hände nicht mehr unmittelbar dran hat. In Zukunft werden wir einen Schritt zurücktreten müssen und es ist auch Zeit, dass die junge Generation übernimmt.“ Auf die Frage, ob er schon an die Pension denke, antwortete Zoller schmunzelnd: „Was ist das?“ und ergänzte: „Wir Wissenschafter betreiben die Physik eigentlich immer aus dem Herzblut heraus. Es ist für uns kein Beruf.“
Nachfolge Blatts ausgeschrieben
In Innsbruck ist der Generationswechsel bereits voll im Gange. Die Stelle Rainer Blatts am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wurde vor rund zwei Jahren ausgeschrieben und die Suche nach einer Nachfolge erfolge in enger Abstimmung mit der Universität Innsbruck, eine enge Zusammenarbeit in Lehre und Forschung werde angestrebt, hieß es.
„Es ist ja nicht nur die Universität, die da eine Rolle spielt, sondern auch die Akademie der Wissenschaften. Beide Institutionen wollen ja zusammen an einem Strang ziehen und müssen sich einigen, wie sie diese Stelle besetzen“, erklärte Hanns-Christoph Nägerl, Leiter des Instituts für Experimentalphysik an der Universität Innsbruck im ORF-Gespräch. Normalerweise seien diese Stellen jeweils zur Hälfte zwischen Universität und ÖAW aufgeteilt.
Bei der Ausschreibung der Nachfolge Blatts sei die Universität allerdings nicht sofort mitgezogen, kritisierte Nägerl. Dadurch sei die Stelle weniger attraktiv gewesen und die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber sehr eingeschränkt. Erst im Nachhinein, vor wenigen Monaten, hätte die Universität entschieden, dass sie die IQOQI-Stelle anteilig mit besetzen möchte, so Nägerl.
Junge Physiker bereits hoch erfolgreich
Eine direkte Nachfolge brauche es eigentlich gar nicht, hörte man von mehreren Seiten, denn Rainer Blatt und Peter Zoller gelten auch als erfolgreiche Förderer des wissenschaftlichen Nachwuchses. „Sie haben eine riesige Gruppe an sehr erfolgreichen Nachwuchswissenschafterinnen und -wissenschaftern hinterlassen, sie haben sozusagen das wissenschaftliche Staffelholz weitergegeben“, so die Rektorin der Universität Innsbruck, Veronika Sexl.
Im Bereich der Quantenphysik forschen an der Universität Innsbruck weiterhin rund 200 Physikerinnen und Physiker, viele von ihnen haben bereits international renommierte Preise eingeräumt. Sie führen die Arbeit der zwei Pioniere weiter und setzen auch neue Schwerpunkte.
Strahlkraft weit über Innsbruck hinaus
Hannes Pichler, theoretischer Physiker, gehört zum Kreis jener Wissenschafter, in die an der Universität Innsbruck viel Hoffnung gesteckt wird. Er hat eng mit Peter Zoller zusammengearbeitet: „Peter Zoller und Rainer Blatt haben als Physiker natürlich eine Strahlkraft viel weiter über Innsbruck hinaus. Für mich persönlich haben sie vor allem diese Rolle als Lehrmeister. Ich habe hier studiert und viele Vorlesungen sowohl bei Peter Zoller als auch bei Rainer Blatt gehört, das hat einen sehr prägenden Eindruck auf mich gemacht.“
Pichler hat für seine Forschung international bereits mehrere Preise eingeräumt, etwa einen „Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrats. Diese mit rund 1,5 Millionen Euro dotierte Förderung ist die höchste Auszeichnung für erfolgreiche Nachwuchswissenschafterinnen und -wissenschafter in Europa – mehr dazu in Preis für Südtiroler Quantenphysiker.
Auch Experimentalphysikerin Tracy Northup wurde international bereits ausgezeichnet. Die US-Amerikanerin war mehrere Jahre in Blatts Arbeitsgruppe tätig und leitet jetzt ihre eigene Gruppe: „Peter Zoller und Rainer Blatt haben die Voraussetzungen geschaffen, dass wir jetzt eine sehr starke Quantenphysik-Gemeinschaft in Innsbruck mit vielen jungen Theoretikern und Experimentalphysikern haben. Wir sind ein sehr starkes Team.“
Konkurrenz ist groß
Damit dieses Team weiterhin in Innsbruck bleibt, müssten sich die Universität, sowie die Akademie der Wissenschaften, in Zukunft noch intensiver bemühen, weiß Peter Zoller, denn die internationale Konkurrenz ist größer geworden. Vor 20 Jahren war Innsbruck noch eine der wenigen Universitäten, die im Bereich der Quantenphysik forschten, mittlerweile sind viele auf den Zug aufgesprungen. „Deswegen sind auch die Leute, die wir da ausbilden, international extrem gefragt. Gerade auf dem Gebiet der Quanteninformation und der Quantencomputer gibt es auch viele private Firmen, die die jungen Leute abziehen. Man muss sich in dieser Konkurrenz etablieren, das erfordert viel.“
Zoller: „Arbeit hält einen jung“
Für Zoller ist die Arbeit mit jungen Studierenden, das was seine Arbeit auch ausmacht: „Die ganzen jungen Leute, die einen umgeben, halten einen enorm jung. Mit ihnen zusammenzuarbeiten ist eine ganz tolle Sache.“ Er möchte auf jeden Fall weiterhin zumindest beratend tätig sein: „Man muss schauen, dass man in die richtige Rolle findet, bei der man sich konstruktiv bei dieser jungen Generation einbringen kann. Dafür gibt es in Innsbruck viele schöne Möglichkeiten.“
Mit 1. Oktober muss er den Großteil seiner Arbeitsgruppe auflösen, dann wird er mehrere Monate verreisen. Er möchte aber auf jeden Fall zurück nach Innsbruck kommen und „weiterhin Präsenz zeigen, aber in einer etwas anderen Form.“
Blatt: „Ich möchte mein eigener Postdoc sein“
Für Rektorin Veronika Sexl verschwinden die beiden auch nicht von der Bildfläche: „Selbst wenn die beiden jetzt offiziell emeritieren und sich ein bisschen mehr zurückziehen, sie bleiben Wissenschafter mit Leib, Herz und Seele und werden, glaube ich, den Instituten immer als Ansprechpartner erhalten bleiben.“
Rainer Blatt führt seine Experimente auch nach Oktober weiter. „Ich nehme schon seit ich emeritiert bin keine neuen Doktoranden mehr auf. Ich habe aber noch ein bis zwei Doktoranden und noch ein paar Mittel, um Experimente durchzuführen und die ein oder andere verrückte Idee umzusetzen.“ Er träumt sich sogar zu seinen Anfängen zurück, zurück zum einfachen Doktor der Physik, also zum Postdoc: „Mein Traum wäre, im Labor mein eigener Postdoc zu sein, denn der Postdoc ist die ideale Position: Sie müssen sich nicht ums Geld kümmern, Sie müssen nicht lange planen, Sie können sich wirklich der wissenschaftlichen Arbeit widmen, so wie Sie möchten.“