Weiße Tabletten liegen auf Löffel
APA/dpa/Hendrik Schmidt
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Gesundheit

Warnung vor künstlichen Süßstoffen

Der Direktor für Innere Medizin an der Innsbrucker Uni-Klinik, Herbert Tilg, warnt vor den künstlichen Süßstoffen Sucralose und Erythritol. Sie könnten ein bestimmtes Krebswachstum beschleunigen. Auch der Süßstoff Aspartam kann unter Umständen bei Menschen Krebs auslösen.

Studien würden nahelegen, dass diese „Major Player“ in einem Fall ein bestimmtes Krebswachstum beschleunigen und im anderen Herzinfarkt und Schlaganfall befördern, sagte Herbert Tilg im APA-Gespräch.

Daten aus Sicht von Tilg sehr überzeugend

Im Falle von Sucralose – „600 mal süßer als Zucker“ – gebe es derzeit zwar rein vorklinische Studien von britischen Forschern, aber die Daten seien sehr überzeugend, so Tilg.

Versuche an Mäusen hätten gezeigt, dass der Süßstoff, der breit in der Nahrungsmittelindustrie verwendet wird, „weil er so potent ist“, das Wachstum bestimmter Tumore steigere, etwa von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Forscher hätten sich damit beschäftigt, ob der Süßstoff in der Lage ist, das Immunsystem zu manipulieren. „Die Antwort ist: Jawohl“, erklärte der Experte.

Zusammenhang mit Herzinfarkt und Schlaganfall belegt

Bei Erythritol, einem Zucker-Alkohol, der als Süßstoff ebenfalls breit verwendet und in den Körper gut aufgenommen werde, würden eine klinische Studie sowie zwei große Folgestudien US-amerikanischer Wissenschafter vorliegen. „Anhand von 1.157 Patienten hat man gezeigt, dass über drei Jahre die Rate an Herzinfarkt und Schlaganfall direkt mit dem Blutspiegel von Erythritol korreliert hat“.

Das heißt, dass es hier offenbar einen klaren Zusammenhang gebe, betonte Tilg. Auch in den beiden Folgestudien sei dies festgestellt worden. Und darüber hinaus sei im Labor nachgewiesen worden, dass Erythritol eine Konzentration im Menschen erreichen könne, die zur Folge habe, dass die Blutplättchen verklumpen. „Und das ist wiederum die Voraussetzung für Herzinfarkte oder Schlaganfälle“, verdeutlichte Tilg.

Mediziner Herbert Tilg
ORF
Herbert Tilg warnt vor den Süßstoffen Sucralose und Erythritol

Schließlich wurde laut dem Mediziner auch noch gesunden Probanden Erythritol gegeben: „Die Blutspiegel, die man dabei erreicht, waren gleich hoch wie die, bei denen man auch im Labor gesehen hat, dass die Blutplättchen verklumpen. Das zeigt, dass es sich nicht nur um einen reinen Laboreffekt handelt. Wenn man das Zeug trinkt, erreicht man Spiegel, die in der Lage sind, ein Plättchen-Verklumpen zu verursachen.“

Möglicherweise auch andere Zusatzstoffe gefährlich

Der Sukkus aus den Erkenntnissen beide Süßstoffe betreffend sei: „Das Konzept, dass diese ganzen Süßstoffe völlig harmlos sind, muss beendet werden.“ Die Wissenschaft müsse sich ab nun damit beschäftigen, dass womöglich auch weitere Zusatzstoffe abseits von Aspartam alles andere als harmlos sind, sondern womöglich, im Gegenteil, Erkrankungen verursachen, so Tilg.

Auch der Süßstoff Aspartam kann unter Umständen bei Menschen Krebs auslösen – mehr dazu in Aspartam möglicherweise krebserregend (science.ORF.at).

Noch mehr Studien und noch mehr Daten nötig

Man brauche aber in beiden Fällen mehr Studien und mehr Daten, unterstrich Tilg. „Aber ab nun ist das Rufzeichen da und man kann nicht sagen: ‚Wir ignorieren das.‘ Sondern die medizinische Wissenschaft muss sich in Form von großen klinischen Studien intensiv damit beschäftigen“, erklärte der Gastroenterologe.

Es gebe Hinweise, dass „obwohl man künstliche Süßstoffe nimmt, diese über die Manipulation von Darmbakterien sogar Energieaufnahme steigern und letztlich in der Lage sind, den Zuckerstoffwechsel erst wieder negativ zu beeinflussen.“ Das ursprüngliche Ziel – dass die Leute nicht dicker werden – habe man überhaupt nicht erreicht, im Gegenteil. Nun gehe es darum, endgültig zu beweisen, dass diese Süßstoffzunahme „nicht nur ein Nullsummenspiel ist, sondern sogar schädlich im Sinne der Verursachung von Krankheiten.“

Süßstoffe könnten verboten werden

Irgendwann könnte dies alles dazu führen, dass solche Süßstoffe überhaupt verboten werden, denn: „Jetzt besteht ein Riesenfragezeichen.“ Nicht zuletzt deshalb, da Adipositas, also Fettleibigkeit, global zunehme. „Trotz einem ständig steigenden Markt an künstlichen Süßstoffen“, ergänzte Tilg und folgerte: „Die künstlichen Süßstoffe sind zunehmend unter Attacke.“

Tilgs Schlussfolgerungen finden übrigens auch Eingang in eine renommierte medizinische Publikation: Unter seiner Federführung kommentieren Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck diese neuesten Erkenntnisse in der Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“, „unserer Bibel“, wie Tilg anschaulich meinte.