Güterzug am Brenner
Hermann Hammer
Hermann Hammer
Verkehr

Brennerkorridor: Zu viele Hindernisse

Seit Jahrzehnten gelingt es nicht, den Güterverkehr auf der Brennerstrecke zwischen Bayern, Tirol und Südtirol zu einem Großteil mit der Bahn abzuwickeln. Dazu befragte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Transportunternehmen in einer Studie. Fazit: Die Schiene sei immer noch zu wenig planbar.

Erstellt wurde die Studie vom Logistik-Kompetenz-Zentrum Prien (LKZ) am Chiemsee. Weder nannten die befragten Transportunternehmen in Bayern, Tirol und Südtirol eine grundsätzliche Präferenz für die Straße, noch waren die Kosten der Hauptkritikpunkt am Güter-Schienenverkehr auf der Brennerstrecke. Was vor allem fehle sei eine nahtlose und zuverlässige Logistik.

Güterzug auf Brennerstrecke
LKZ Prien
63 Prozent der bayerischen Unternehmen schicken ihre Güter über den Brenner, nur ein kleiner Teil davon geht auf die Bahn

Straße trotz vieler Hürden die erste Wahl

Es gibt laut Studie durchaus viele Gründe, die gegen den Güterverkehr auf der Straße sprechen und zwar aus der Sicht der Transportunternehmen: Ein massiver Mangel an Lkw-Fahrern, hohe Treibstoff-und Energiepreise, Staus durch ein insgesamt hohes Verkehrsaufkommen und Baustellen sowie zusätzliche Behinderungen des Warenverkehrs durch Dosierungsmaßnahmen und Fahrverbote für bestimmte Güter, an Wochenenden und in der Nacht in Tirol. Allen diesen Gründen zum Trotz nutzen 73 Prozent der befragten Transportunternehmer die Straße und nur 27 Prozent die Schiene auf dem Brennerkorridor. Dieses Verhältnis hat sich laut Studie seit Jahren einzementiert.

Nach Angaben des Sprechers der ÖBB für Tirol und Vorarlberg, Markus Kapferer sei derzeit sogar ein negativer Trend von der Schiene zurück auf die Straße zu bemerken: „Der Güterverkehr auf der Straße genießt immer noch viele Vorteile gegenüber der Schiene. Deshalb fordern wir als ÖBB seit Jahren einen fairen Wettbewerb – Stichwort Kostenwahrheit. Derzeit ist eine Rückverlagerung von der Schiene auf die Straße bemerkbar. Und das ist definitiv schlecht für unsere Umwelt.“

Bremsen liegen weniger in der Infrastruktur

Die Umfrage zeigte, dass den Unternehmen dabei folgende Ziele besonders wichtig sind: Deutlich höhere Qualität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit auf der Schiene, ein enges Zusammenspiel zwischen Straße und Schiene und allen beteiligten Akteuren. Ein geringerer Planungs- und Dispositionsaufwand für Lösungen im Kombinierten Verkehr. Transparentere Kostenstrukturen, wie sie im Straßengütertransport schon gegeben seien sowie ein einfacher und barrierefreier Zugang zum Schienennetz. Es fehlten außerdem politische Anreizsysteme für die Ertüchtigung privater Gleisanschlüsse. Zudem mangle es vielfach an grundlegenden Informationen dazu, wie ein Umstieg auf die Schiene gelingen kann.

Grafik Verkehr Brennerkorridor
CAFT (Cross Alpine Freight Transport)-Daten 2019, Auswertungen der LKZ Prien GmbH, 2022

Durch drei Staaten und ihre Hindernisse

Der internationale Kontext erhöhe die Komplexität durch die Anzahl an Akteuren und Rechtsvorschriften weiter. Im grenzüberschreitenden Brennertransit sind allein für die Nutzung der Strecke drei Infrastrukturbetreiber beteiligt, die Vertreter aus Deutschland, Österreich und Italien. Sowohl die Vergabe der Trassen als auch die Planung und Gestaltung von Baustellen müssten für einen durchgängigen Schienengütertransport länderübergreifend abgestimmt werden. Auch das Personal, besonders die Triebfahrzeugführer, seien hier ein wichtiger Faktor, da für jede Strecke eigene Schulungen erforderlich sind. Im Brennertransit werden nicht nur streckenspezifische, sondern auch sprachliche Kenntnisse gefordert, stellten die Studienautoren fest.

Auch Unternehmen müssen tätig werden

Dabei kam die Studie durchaus zu dem Schluss, dass auch die Unternehmen ihre Hausaufgaben machen müssen: Für eine nachhaltige Gestaltung der Logistik- und Lieferketten sei es entscheidend, dass sich Verlader sowie Unternehmen der Transportbranche mit den notwendigen Voraussetzungen zur Verlagerung auf die Schiene intensiver beschäftigen. Die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Transportabwicklung, auch mit Blick auf die Klimabilanz und Versorgungssicherheit der Transportkette, sollten besser ausgeschöpft werden.

Schiene als starkes Transportmittel

An der Art der Güter liegt es jedenfalls nicht, dass die Bahn derzeit noch nicht maßgeblich auf der Brennerstrecke genutzt wird. In der Studie heißt es: Grundsätzlich lassen sich die meisten Güter auf der Schiene transportieren. Jedoch war die Schiene bislang besonders auf bündelungsstarke Grundstoff- und Massengüter , die als klassisch „schienenaffin“ bezeichnet werden, ausgerichtet. Diese sind Güter wie z.B. Stahl, Papier, Holz, Flüssig- und Schüttgüter, Schrott oder Chemie- und Mineralölerzeugnisse und Fahrzeuge. Diese Arten bzw. auch der Bereich der Schwer- und Spezialtransporte wie beispielsweise Windkraftanlagen gehören zum Spektrum schienenaffiner Güter.

Wettbewerbsfähig bei Kosten und Zeit

Generell würden sich langlaufende Strecken über 600 Kilometer für Transporte auf der Schiene anbieten, hieß es. Hier sei die Schiene auch in punkto Transportkosten und Transportzeit wettbewerbsfähig mit der Straße. An Sonn- und Feiertagen, in der Nacht oder an Tagen mit Blockabfertigungen könne die Schiene auch für Transporte unter 600 Kilometer bei vorhandenem Angebot interessant sein.

Vortrieb mit Besichtigung der Ortsbrust
BBT SE
Der Brennerbasistunnel soll den Güterverkehr aufnehmen, dass die Verlagerung auf die Schiene mit seiner Fertigstellung gelingt, bezweifeln Kritiker

Brennerbasistunnel keine Sofortlösung

Dass mit der Fertigstellung des Brennerbasistunnels das Transportgeschehen dann quasi automatisch auf die Schiene verlagert werde, daran glaubt man beim Transitforum Tirol Austria nicht. Obmann Fritz Gurgiser, der die Verkehrssituation seit Jahrzehnten kritisch verfolgt, erinnert an große Baumaßnahmen wie Südumfahrung Innsbruck oder Unterinntaltrasse, die zwar zu einer Verbesserung der Kapazitäten im Bahn-Güterverkehr, aber nicht eine Reduzierung des Warentransports auf der Straße gebracht hätten. „Von einer grenzüberschreitenden nahtlosen Logistik und der Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene sind wir heute weiter weg denn je,“ findet er klare Worte.

Transporttechnik geht Richtung Straße

Zumal technischer Fortschritt gerade jetzt in hohem Tempo nicht Richtung Schiene, sondern vielmehr in Richtung Straßenverkehr weist. Transportunternehmen investieren Millionen in die Erneuerung ihrer Fuhrparks. Zu einem Großteil seien inzwischen Lkws der neuesten Generation Euro-6d auf der Straße unterwegs. Argumente wie Lärm- und Schadstoffe gehen an diesen Entwicklungen nach Ansicht der Frächter vorbei. Zudem wird stark auf alternative Energien wie etwa Wasserstoff gesetzt. Laut EU-Kommission sollen Lkws künftig um vier Tonnen mehr beladen werden dürfen als bisher. Das alles gehe nicht in Richtung Schiene, kommentierte Fritz Gurgiser auf Nachfrage des ORF Tirol.