Fluchthorn
zeitungsfoto.at/Riccardo Mizio
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Chronik

Nach Felssturz auch Gefahr für Siedlungen

Nach dem massiven Felssturz in der Silvrettagruppe sieht Gletscherforscher Kay Helfricht von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auch Siedlungsgebiete bedroht. Felsstürze könnten gespeichertes bzw. aufgestautes Wasser freisetzen, das als Mure abgehen könnte.

Durch das freigesetzte Wasser bzw. Muren seien dann auch Siedlungen potenziell bedroht, auch wenn die Felsstürze an sich in großen Höhen stattfinden, sagte der Forscher im APA-Gespräch.

Kay Helfricht
Universität Innsbruck
Kay Helfricht

Felsstürze wie jener am Fluchthorn hingen laut Helfricht mit dem Gletscherschwund zusammen. In der Silvrettagruppe sei ein hangseitiger Schwund von Eis in den vergangenen zehn bis 20 Jahren gut dokumentiert.

Der Schwund der Gletscher sei dabei nur der sichtbare Teil, auch gehe es um schwindende Eisreste unter Schutt und um Permafrost in den Bergen. Das Eis übe einen stabilisierenden Druck auf den Felsen aus, erklärte Helfricht. Geht es zurück, verliert das Gestein an Stabilität und es drohen Felsstürze.

Silvrettagrupppe besonders gefährdet

Die Silvretta sei dabei für solche Vorfälle besonders gefährdet, da das Gestein recht zerklüftet sei. Schwachstellen würden Felsstürze begünstigen. Der Abbau von Permafrost sei dabei nur Auslöser, entscheidend sei auch das Zusammenspiel mit solchen Störungen im Felsen.

Wenn Gestein dann herabstürze, könne Wasser aufgestaut werden. Versagt der natürliche Damm, drohen die Wassermassen potenziell auch bis zu Siedlungen zu donnern. Das gleiche gelte, wenn Felsstürze auf unter Felswänden oder Schuttflächen gespeichertes Wasser bzw. Gletscherseen treffen, so der Gebirgsforscher.

Marmolata in den Dolomiten
APA/Nationale Alpine Rettungseinheit
Im Marmolata-Massiv kamen im Vorjahr durch einen Gletscherbruch elf Personen ums Leben

Dass Menschen von ähnlichen Ereignissen bedroht sein könnten, zeige sich auch mit Blick auf Katastrophen wie dem Gletscherunglück auf dem Marmolata-Massiv in den Dolomiten, auch wenn der Vorgang nicht direkt mit dem Felssturz am Fluchthorn vergleichbar sei. Zwischen den norditalienischen Regionen Trentino und Venetien waren durch einen Gletscherbruch im Juli 2022 elf Menschen ums Leben gekommen, acht wurden schwer verletzt.

Beobachten und auf Vorzeichen achten

Direkt verhindern könne man solche Ereignisse nicht, wichtig sei die Beobachtung und das Achten auf Anzeichen. Vorboten können etwa kleinere Felsstürze sein. Je mehr Menschen im Gebirge unterwegs seien, desto mehr würden solche Vorboten auffallen, hoffte Helfricht. Auch die Satellitenfernerkundung würde Hinweise liefern.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Südseite des Fluchthorns samt Abbruchstelle
Land Tirol
Blick auf die Südseite des Fluchthorns mit Blick auf Verlauf der Mure
Südseite des Fluchthorns samt Abbruchstelle
Land Tirol
Das „Fluchthorn“ im Silvrettagebiet nach dem gestrigen Abbruch und folgenden Felssturz
Südseite des Fluchthorns samt Abbruchstelle
Land Tirol
Freigelegte Eisflächen zeigten sich im Abbruchbereich
Land Tirol
Freigelegte Eisflächen zeigten sich im Abbruchbereich

Massiver Felssturz im Silvrettagruppe in Galtür

In der Silvrettagruppe im Gemeindegebiet von Galtür (Bezirk Landeck) war es am Sonntag zu einem massiven Felssturz gekommen. Im Bereich der Nordwestflanke des südlichen Fluchthorns donnerten mehr als 100.000 Kubikmeter Material über das Hochmorrgebiet Breites Wasser in Richtung Jamtalhütte.

Laut Landesgeologie dürften die Ursachen im aufgehenden Permafrost liegen, weitere Felsabbrüche in dem hochalpinen Bereich können zudem nicht ausgeschlossen werden. Es wurde niemand verletzt.