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Peter Auer: „Du musst neugierig sein“

Er ist ein ehemaliger Journalist, Autor, Weltenbummler und mittlerweile Betreiber eines Gasthauses am Walchsee in Kössen. Der Kufsteiner Peter Auer traf im Laufe seines Lebens zahlreiche Menschen und legte viele Wege zurück. Sprache und Neugier waren seine ständigen Begleiter. Dabei begann alles mit einem Redewettbewerb.

Das Gasthaus Seemühle in Kössen am Walchsee ist über den Sommer sein Zuhause. Für den 76-jährigen, ehemaligen Journalisten Peter Auer ist es der ideale Ort, um zur Ruhe zu kommen. Denn Ruhe gab er in seinem Leben nie viel. Stattdessen entdeckte er schon früh seine Freuden und lernte, sich vor allem für Sprache zu begeistern.

„Ich war sicherlich mit weitem Abstand die größte Flasche in naturwissenschaftlichen Fächern, ich kann heute noch keine zwei dreistelligen Zahlen miteinander addieren“, erzählt Auer im Gartenstuhl vor der kleinen Jausenstation. Anstelle von Mathematik oder Naturwissenschaft habe er andere Talente entwickelt, etwa die Sprache. „Ich habe gute Aufsätze geschrieben und auch Spaß daran gehabt“, sagt er.

Peter Auer Gasthof Seemühle Kössen Walchsee
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Der Walchsee in Kössen mit der kleinen Jausenstation Seemühle (unten)

Die Begeisterung für Texte und Literatur war die beste Voraussetzung für seinen späteren Beruf. Auer wusste bereits während seiner Schulzeit in Kufstein: Er will Journalist werden. Schon als Schüler schrieb er Artikel für den „Tiroler Grenzboten“. Im Frühjahr 1963, vor genau 60 Jahren, kam es schließlich zu einem besonders prägenden Erlebnis.

Von Leopold Figl und Bruno Kreisky…

Als Sieger des Jugendredewettbewerbs in Tirol trat er Anfang Mai beim Bundesfinale in Wien an. Im großen Saal der Universität, dem Audimax, trugen zwei Schülerinnen und sieben Schüler ihre Reden vor. Das Thema: Patriotismus im Zeitalter der Vereinigten Staaten von Europa. Als 16-Jähriger sei er bei dem Auftritt „völlig unbekümmert“ gewesen. „Ich bin da an einem Montag hingefahren, habe das in vollen Zügen genossen und es mit staunenden Kinderaugen angesehen.“

Angst, dass etwas schiefläuft, habe er nicht gehabt. „Aber vielleicht war mir diese gewisse Wurstigkeit damals schon angeboren“, meint er. „Mach dich nicht selbst lächerlich, indem du dich da überhöhst“, habe er zu sich gesagt. Grund für eine Selbstüberschätzung hätte es genug gegeben. Immerhin traf er bei dieser Gelegenheit mit hochrangigen Persönlichkeiten der österreichischen Politik zusammen.

Peter Auer Verleihung Jugendredewettbewerb
ORF Archiv, „Welt der Jugend" 1963
Peter Auer (rechts) erhielt als 16-jähriger Teilnehmer beim Bundesfinale des Jugendredewettbewerbs u.a. eine Medaille überreicht

Bei einem Empfang lernte er den damaligen niederösterreichischen Landeshauptmann Leopold Figl (ÖVP) kennen. „Der war für uns junge Leute ja doch eine Idolfigur“, so Auer. Das liege daran, dass Figl acht Jahre zuvor als Außenminister den Staatsvertrag unterzeichnet und ihn aus dem Schloss Belvedere herausgehalten hatte. „Das war eine der markantesten Figuren der österreichischen Politik und das haben wir auch gewusst, das hat uns kein Lehrer erzählen müssen.“

Unter anderem traf er auch den damaligen Außenminister und späteren Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ). Auer beschreibt ihn als „herausragende Figur“. Bei einem Theaterstück habe sich Kreisky gemeinsam mit seiner Frau Vera die neun jungen Kandidatinnen und Kandidaten des Wettbewerbs vorstellen lassen. Insgesamt sei diese Erfahrung mit dem Auftritt im Audimax sehr „ehrwürdig“ und besonders gewesen. Es waren wohl eine der ersten nennenswerten Begegnungen in seinem Leben. Später sollte es eine ganze Reihe von berühmten Persönlichkeiten der Weltgeschichte werden.

…zu Neil Armstrong, Königin Silvia und Willy Brandt

Nach der Matura in Kufstein ging Auer nach Deutschland. In Berlin begann er ein journalistisches Volontariat bei der Parteizeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Einige Jahre später, mitten in der 1968er Bewegung, wechselte er zum Axel Springer Verlag. Er arbeitete in verschiedenen Redaktionen und Städten, etwa in Stuttgart, Berlin oder Hamburg. „Das hat mir in die Karten gespielt, weil ich flexibel war. Ich hatte nicht das Problem, dass die Kinder in der Familie umgeschult werden mussten“, so Auer.

Als Redakteur und Autor schrieb er für unterschiedliche Zeitungen und Magazine, zum Beispiel für die „Bild Zeitung“, die „Berliner Zeitung“ oder die „Welt“. Dabei habe sich eine Station nach der anderen ergeben: „Dann bist du in dem Karussell erst einmal drin und dann passiert auch nicht mehr viel.“

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Peter Auer Neil Armstrong
Peter Auer
Peter Auer (re.) und Neil Armstrong, Kommandant der Mission Apollo 11 und erster Mensch auf dem Mond
Peter Auer Willy Brandt
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Peter Auer (li.) und Willy Brandt, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1969 bis 1974)
Peter Auer Silvia von Schweden
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Peter Auer (li.) und Königin Silvia von Schweden
Peter Auer Telly Savalas
Peter Auer
Peter Auer (links) mit Schauspieler Telly Savalas, u.a. bekannt durch die Kult-Krimiserie „Kojak" aus den 1970er Jahren

Passiert ist in dem Karussell sehr wohl viel. Über die Jahre interviewt er zahlreiche Berühmtheiten. Dazu gehören zum Beispiel Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), Königin Silvia von Schweden oder Telly Savalas, Schauspieler unter anderem in der Kult-Krimiserie „Kojak“ aus den 1970er Jahren.

„Wie viele Händedrucke vom Präsidenten entfernt?“

Die Neugier war für Auer dabei immer eine Motivation. „Die Amerikaner haben dieses ziemlich treffende Wort: ‚Wie viele Händedrucke bist du vom Präsidenten entfernt?‘ Das heißt also, wenn du etwas erfahren möchtest, und du hast die Chance, es von demjenigen tatsächlich zu erfahren, der es weiß, bist du besser dran, als wenn du es nur vom Hörensagen mitbekommst“, sagt er.

Als Journalist habe er immer das Credo verfolgt, neugierig zu bleiben. „Du musst sagen: ‚Ich weiß es nicht, und wenn ich es nicht weiß, dann weiß es der Leser auch nicht.‘ Also muss ich versuchen, es meinem Leser zu erklären und zwar mit meinem schlichten Verstand.“ So schrieb er im Laufe seiner Karriere auch mehrere Bücher über Geschichte, Städte und Länder, inspiriert von seinen Reisen durch die ganze Welt. Beispielsweise fuhr er monatelange Motorradtouren durch Südchina und Vietnam. Unterwegs lebte er vom Verfassen von Reisereportagen und Fachliteratur.

Peter Auer Bücher Autor
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Auf seine Bücher, insbesondere auf das Werk „Von Dahlem nach Hiroshima. Die Geschichte der Atombombe“, ist Peter Auer stolz

Sein zeithistorisches Buch „Von Dahlem nach Hiroshima“ über die Geschichte der Atombombe wurde sogar ins Japanische übersetzt. Darauf ist Peter Auer besonders stolz. Daneben verfasste er Reiseführer über Sehenswürdigkeiten in Berlin oder Brandenburg sowie historische Bücher über das Hotel Adlon oder den Kalten Krieg. Beruflich war er Mitte der 1980er Jahre hautnah beim Beginn des deutschen Privatfernsehens dabei. Im Auftrag des Springer-Verlages leitete er die Presseabteilung des deutschen Senders Sat.1.

Walchsee und Kössen bieten Ruheoase

Besonders glücklich zeigt er sich über die Freiheit und die Flexibilität. Diese habe ihm sein Beruf ermöglicht. „Das alles kannst du natürlich auch nur machen, wenn du zeitlich unabhängig bist“, meint er. Es sei arrogant, das mit jemandem zu vergleichen, der beruflich, finanziell und familiär viel mehr gebunden ist. „Das war das Privileg meines Berufes, dass ich zum Beispiel Neuseeland sehen konnte, wenn ich es wollte.“ Dieses Privileg habe er auch ausgenutzt.

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Vor seiner kleinen Jausenstation „Gasthof Seemühle“ erzählt der gebürtige Kufsteiner Peter Auer von seinen beruflichen Stationen

Mittlerweile fand er seine Ruheoase am Walchsee in Kössen. Seit 16 Jahren führt er hier das Gasthaus Seemühle als „Nebenbeigastwirt“. Die Jausenstation liegt idyllisch am Ostufer des Sees und ist umgeben von Pflanzen, Bäumen und Campingplätzen. Sie dient ihm nicht nur als kleines Einkommen, sondern auch als sozialer und kultureller Treffpunkt. Immer wieder will er jungen Autorinnen und Autoren oder Künstlerinnen und Künstlern aus der Region mit seiner „Kleinkunstbühne“ eine Plattform bieten.

„Irgendwann ist auch Schluss mit lustig, du kannst dieses Tempo nicht gehen ohne Unterbrechung“, sagt der Gasthausbetreiber. „Dann ist es gut wenn du einen Platz hast, wo du deine Füße unter dem Tisch ausstrecken und einmal ein paar unaufgeregte Tage haben kannst.“ Diesen Platz hat Auer für sich und seine Frau gefunden.

Peter Auer Gasthaus Seemühle Kössen Walchsee
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Das Gasthaus Seemühle am Walchsee in Kössen dient mittlerweile als Rückzugsort für den ehemaligen Journalisten Peter Auer

Einen Zweifel daran, dass der Rückzugsort von diesem „turbulenten Beruf“ in Tirol sein wird, habe es für ihn nie gegeben. Vor allem der Raum Kufstein und Kiefersfelden sei dafür immer in Frage gekommen. Es sei klar gewesen: „In Kufstein bin ich groß geworden und hatte meinen Freundeskreis, der auch nie versandet ist. Und dann gehst du dort, ohne großen Zeitdruck, aber über kurz oder lang wieder hin.“ So blickt Peter Auer auf ein besonders bewegtes Leben zwischen Sprache und Neugier in seinem Haus am See zurück.