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Bildung

50 Jahre muttersprachlicher Unterricht

Seit 50 Jahren können in Tirol Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutsch muttersprachlichen Unterricht besuchen. Am Donnerstag wird dies in einem Festakt im Landhaus gefeiert. In den 1970ern wurden drei Sprachen angeboten, mittlerweile sind es 15.

„Sziasztok! Hogy vagytok?“ Jeden Freitagnachmittag ab 14.45 Uhr begrüßt Izabella Jenewein so ihre Klasse im Gymnasium Adolf-Pichler-Platz in Innsbruck zum erstsprachlichen Unterricht in Ungarisch und fragt die jungen Leute, wie es ihnen geht. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus ganz Tirol. In den drei Stunden wird auf Grammatik und Rechtschreibung genauso viel Wert gelegt wie auf Sprechen und Schreiben. Auch Landeskunde, Geschichte und die Kultur Ungarns dürfen nicht fehlen.

Heuer gibt es einen literarischer Schwerpunkt, zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Sándor Petöfi. Zwei Stunden pro Woche werden Unter- und Oberstufe gemeinsam unterrichtet, in der 3. Stunde bereitet sich dann die Oberstufe auf die Matura in Ungarisch vor.

Unterricht in 15 Sprachen möglich

Ungarisch ist eine von mittlerweile 15 Sprachen, die in Tirol im Rahmen von muttersprachlichem Unterricht angeboten werden. Vor 50 Jahren waren es türkisch, slowenisch und (Anm: damals noch) serbokroatisch. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Sprachen hinzu, lange Zeit blieb es bei 13 Sprachen, seit kurzem werden auch Ukrainisch und Persisch angeboten.

2.105 Schülerinnen und Schüler besuchen einmal in der Woche den muttersprachlichen Unterricht, der tirolweit in 69 Schulen angeboten wird.

Die meisten Schülerinnen und Schüler, knapp 900, besuchen den Unterricht in Türkisch, gefolgt von Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (265), Arabisch (224), Russisch, Persisch, Ungarisch, Bulgarisch, Polnisch, Chinesisch, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch, Ukrainisch und Italienisch und Französisch. Dass demnächst noch weitere Sprachen dazukommen werden, damit rechnet Werner Mayr, Leiter des Pädagogischen Dienstes, nicht.

Wichtig für Identitätsbildung und Integration

Seit mittlerweile 50 Jahren gibt es in Tirol muttersprachlichen Unterricht. Zuerst fand er außerschulisch statt, seit 30 Jahren wird er im Regelschulwesen entweder als unverbindliche Übung ohne Benotung oder als Freigegenstand mit Benotung angeboten. Die Mutter- bzw. Erstsprache zu beherrschen sei für die Identitätsbildung, aber auch für die Integration essenziell, sagte Werner Mayr. Zahlreiche Studien würden zeigen, dass gute Kenntnisse der Muttersprache auch das Erlernen einer Zweitsprache – in diesem Fall Deutsch – deutlich erleichtern, betonte auch Ungarischlehrerin Izabella Jenewein.

Derzeit läuft gerade die Anmeldung für den Unterricht ab Herbst 2023 – dann wird er nicht mehr „muttersprachlicher“, sondern aufgrund der aktuellen Lehrplanreform „erstsprachlicher Unterricht“ heißen.