NS Lager Reichenau
Stadtarchiv
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Wissenschaft

NS-Lager Reichenau: Suche nach Überresten

Auf dem Areal des ehemaligen „Arbeitserziehungs- und Zwangsarbeiterlagers Reichenau“ werden Überreste von Baracken vermutet. Derzeit werden archäologische Sondierungsarbeiten durchgeführt. In dem Lager der Nationalsozialisten waren rund 8.500 Menschen inhaftiert, 114 fanden nachweislich den Tod.

Bereits erfolgte Messungen mit Bodenradar des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck hatten im Bereich der Trientlgasse Hinweise auf mögliche Überreste von Baracken aus der NS-Zeit ergeben. Mit Hilfe der Grabungsarbeiten im Auftrag des Stadtarchiv/Stadtmuseum soll nun geklärt werden, ob im unbebauten Wiesenbereich am südlichen Ende des Recyclinghofes zeitgeschichtliche Spuren zu finden sind.

Untersuchung mit Bodenradar im Herbst

Durch die Auswertung historischer Luftbilder konnten Archäologinnen der Universität Innsbruck und der Firma monumentGUT im letzten Jahr die räumliche Struktur des Lagerkomplexes Reichenau bzw. der nachkriegszeitlichen Notwohnsiedlung digital rekonstruieren. Darauf aufbauend erfolgte vergangenen Herbst eine Untersuchung mit Bodenradar. „Dabei werden physikalische Eigenschaften des Untergrundes gemessen, womit wir einen groben Eindruck, zum Beispiel über Reste baulicher Infrastruktur unter der modernen Oberfläche erhalten“, erklärte Barbara Hausmair vom Institut für Archäologien.

Das Ergebnis dieser Messung habe gezeigt, dass sich noch schwache, lineare Strukturen im Untergrund abzeichnen, welche mit dem Standort der ehemaligen Baracken übereinstimmen, nicht jedoch mit modernen Leitungsplänen. „Das bedeutet, dass es sich potentiell um Überreste von Bauten aus der Lagerzeit oder der Notwohnsiedlung handeln kann“, führte Kulturstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne) aus.

Lageplan der Grabungen
Universität Innsbruck

Messungen mit einem Georadar brachten in verschiedenen Bereichen des untersuchten Areals den Nachweis für bodengelagerte Befunde, bei denen es sich um Überreste ehemaliger Lagerbauten handeln dürfte (Objekte A bis I). Zudem wurden im Süden der Untersuchungsfläche Strukturen dokumentiert (Objekte J bis L), bei denen es sich um Gebäudereste zu handeln scheint, die bis dato weder den Lagerbauten noch ehemaligen Bauten des Bauhofs zugeordnet werden können.

Hoffen auf Einblicke in den Alltag des Lagers

Im Rahmen der rund zweiwöchigen Sondierungsgrabung wird nun untersucht, worum es sich bei diesen Strukturen handelt und wie deren Erhaltungszustand beschaffen ist. Aufgrund der intensiven Nutzung des Geländes vermuten die Experten nur mehr wenige Reste aus dem Unterbodenbereich der ehemaligen Lagerbauten zu finden. „Eventuell könnten noch Leitungs- bzw. Abwassersysteme der Baracken oder auf dem Areal verbliebene Gegenstände der ehemaligen Häftlinge bzw. der Bewohnerinnen und Bewohner der Notwohnsiedlung wie Geschirr, Besteck oder Werkzeuge vorhanden sein“, so Innsbrucks Stadtarchivar Lukas Morscher.

„Wir hoffen durch die Grabungen einen ersten Eindruck über noch vorhandene archäologische Spuren zu erlangen“, verrät Hausmair. „Erst dann lässt sich abwägen, ob noch so viele archäologische Strukturen oder Fundmaterial vorhanden ist, um dadurch substantielle Einblicke in den Alltag der Menschen im Lager oder in der Notwohnsiedlung zu gewinnen. Es kann aber auch sein, dass wir nur sehr wenig finden, da der Abriss und die Bereinigung des Geländes in den späten 1960er Jahren sehr gründlich erfolgt ist.“

Ein Gelände mit dunkler Tiroler Geschichte

Das untersuchte Areal, auf dem sich heute unter anderem der städtische Recyclinghof Rossau befindet, war in der NS-Zeit Teil des Arbeitserziehungslagers der Gestapo. Bis in die 1960er Jahre wurde das Areal unterschiedlich genutzt, zuletzt als Notwohnsiedlung. Für den Bau des Recyclinghofs wurde diese Siedlung in den 1960er Jahren aufgelassen und abgerissen.

Im „Arbeitserziehungs- und Zwangsarbeiterlager Reichenau“ wurden zwischen 1941 und 1945 circa 8.500 Menschen, darunter zahlreiche politische Gefangene, inhaftiert, gefoltert und zur Zwangsarbeit verpflichtet, 114 Menschen wurden dort nachweislich ermordet. Durch die laufenden Forschungen konnten zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Ausschreibung für Neugestaltung von Gedenkstätte

Ein 1972 auf dem ehemaligen Gelände des Lagers in der Rossaugasse errichteter Gedenkstein erinnert als Mahnmal an die Opfer. Dieser entspreche aber nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand. Noch heuer werde es eine Ausschreibung für eine Neugestaltung der Gedenkstätte geben.