Abwassertests im Labor
MUI/Christof Simon
MUI/Christof Simon
Wissenschaft

CoV-Abwassertests taugen zur Vorwarnung

Die Überwachung von Abwässern auf die Konzentration von SARS-CoV-2 gibt den Krankenhäusern bei einer Covid-19-Welle zumindest eine mehr als einwöchige Vorwarnzeit. Das haben unter anderem Tiroler Wissenschafter in einer bundesweiten Studie belegen können. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will am Abwassermonitoring festhalten.

„Abwasser-basierte Epidemiologie wird in Österreich seit April 2020 verwendet, um die Entwicklung der SARS-CoV-2-Pandemie zu überwachen. Das erfolgt mit einer ständig wachsenden Anzahl von Kläranlagen. Bis zum August 2022 waren bereits 123 solcher Anlagen beteiligt. Dies deckte rund 70 Prozent der (österreichischen; Anm.) Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen ab“, schrieben jetzt Wolfgang Rauch vom Arbeitsbereich für Umwelttechnik der Universität Innsbruck und seine Co-Autoren in „Science of The Total Environment“.

Abwassertests im Labor
APA/EXPA/STEFAN ADELSBERGER
In zehn Minuten können bis zu 36 Proben ausgewertet werden

Zu der Arbeit haben an dem österreichischen Projekt der Abwasser-Epidemiologie rund um Covid-19 beteiligte Institutionen und Forschungseinrichtungen aus praktisch ganz Österreich (Wien, Innsbruck, Klagenfurt, Graz, Bregenz) beigetragen. Für die Studie wurden die SARS-CoV-Konzentrationen in unbehandelten kommunalen Abwässern mit den kurzfristig eintretenden Belagszahlen in den österreichischen Spitälern korreliert.

Bis zu zweieinhalb Wochen Vorlaufzeit

„Der zeitliche Vorlauf der auf Abwässern basierenden Epidemiologie (zu Covid-19; Anm.) zum Belag der Spitäler erlaubt das Erstellen von Prognosemodellen“, schrieben die Experten. Und so sieht die Genauigkeit der Modelle der Umwelttechniker aus: „Die Resultate zeigen ein Vorhersagepotenzial der Virusbelastung im Abwasser bezüglich des Krankenhausbelags (mit Covid-19-Patienten; Anm.), wobei der durchschnittliche Vorlauf für die Auslastung von Normalstationen zwischen 8,6 und 11,6 Tagen beträgt, für die Betten auf Intensivstationen 14,8 bis 17,7 Tage.“

Genauigkeit wächst mit Überwachung

Damit, so die Wissenschafter, könnte man in Zukunft die Inanspruchnahme des öffentlichen Gesundheitswesens relativ kurzfristig vorhersagen. Die Genauigkeit wächst mit der flächenmäßigen Verbreitung eines solchen Systems. „Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme der Vorhersagegenauigkeit mit der wachsenden Anzahl an Abwasseranlagen, welche überwacht wurden“, stellten die Fachleute fest. Das System könne aber auch – quasi „lernend“ – an das Auftauchen von neuen Virusvarianten und die Entwicklung der Immunität in der Bevölkerung durch überstandene Erkrankungen und/oder Impfungen angepasst werden.

Rauch will am Monitoring festhalten

Obwohl mit 30. Juni die letzten Corona-Maßnahmen Geschichte sein werden, hält Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vorerst am Covid-Abwassermonitoring fest. „Das sind wichtige Wachtürme, um die Coronazahlen im Blick zu behalten“, sagte Rauch am Montag bei einer Pressekonferenz in der Nationalen Referenzzentrale für Covid-Abwassermonitoring in Innsbruck. Das Monitoring, das sich seit Anfang 2023 aus 48 bundesweiten Kläranlagen bedient, sei bis 2025 ausfinanziert.

Bleibt ein Sicherheitsnetz

Es schlage mit jährlich rund zwei Millionen Euro zu Buche, strich der Minister hervor. Diese Ausgaben seien auch mit Pandemieende gerechtfertigt: „Es ist und bleibt für uns ein wichtiges Sicherheitsnetz.“ Vor Beginn des Jahres hatte man noch auf 24 Kläranlagen zurückgegriffen. Grenzwerte für eine etwaige Wiederaufnahme von Corona-Maßnahmen wird es laut Rauch nicht geben: „Wir wollen aber wissen, welche Entwicklung im Gange ist und ob es neuen Viren-Varianten gibt.“

Frau und zwei Männer bei Pressekonferenz
APA/EXPA/STEFAN ADELSBERGER
v.l. Vizerektorin für Forschung und Internationales Christine Bandtlow (Meduni Innsbruck), Minister Johannes Rauch, Stellvertretender Direktor des Instituts für Gerichtliche Medizin Martin Steinlechner (Meduni Innsbruck)

Das betonte auch Herbert Oberacher, wissenschaftlicher Leiter des Projektes am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizin-Uni Innsbruck. „Wir sehen uns in unseren Laboren die Gesamtbelastung genau so an, wie die Mutationen und Veränderungen“, sagte er. Die daraus resultierenden Ergebnisse und Berichte würden dann schließlich an Corona-Kommissionen weitergegeben und werden weiterhin auf Länder- und Bundesebene auf Dashboards sichtbar gemacht, erklärte Oberacher.

Pionierarbeit in Tirol

In Innsbruck leiste man jedenfalls bereits seit der ersten Hälfte des Jahres 2020 Pionierarbeit, betonte Martin Steinlechner, interimistischer Direktor des Institutes für Gerichtliche Medizin der Medizin-Uni Innsbruck. Bereits damals habe man SARS-CoV-2 im Abwasser nachweisen können, seither hätten sich Methoden zudem noch erheblich verfeinert. „Mittlerweile beschäftigen wir 70 Mitarbeiter“, betonte er. Es handle sich jedenfalls um eine „Erfolgsgeschichte“, assistierte Christine Bandtlow, Vizerektorin für Forschung und Internationales der Medizin-Uni Innsbruck.

36 Proben sind in zehn Minuten ausgewertet

Die Methodik selbst demonstrierten schließlich Oberacher und Steinlechner bei einem Rundgang durch die Labore. „Ausgangspunkt ist das Abwasser der Kläranlagen, das in gekühlten Probeboxen in Halbliter-Behältnissen zu uns kommt“, erläuterte Oberacher vor Journalisten. Daraus würden dann nach mehreren Prozessen „wenige 100 Mikroliter“, bei denen man eine „PCR-Reaktion“ durchführe. Die Auswertung der Proben gehen laut Steinlechner rasch: „Wir schaffen 36 Proben in zehn Minuten.“