Strommasten und Berge im Hintergrund
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Klima&Umwelt

Gletscherschmelze gefährdet Stromproduktion

Während die Laufkraftwerke der TIWAG wegen des sehr trockenen Sommers 2022 wenig Strom produzieren konnten, haben die Speicherkraftwerke massiv von der Gletscherschmelze profitiert. Doch wenn die Gletscher verschwinden, wird auch die Stromversorgung zur Herausforderung.

Die Laufwasserkraftwerke der TIWAG in Osttirol litten im vergangenen Jahr stark unter dem trockenen Sommer. Sie produzierten über 20 Prozent weniger Strom als im langjährigen Durchschnitt. Österreichweit sieht man eine ähnliche Tendenz. Die Laufwasserkraftwerke des Verbunds konnten ebenfalls viel weniger Strom produzieren als im langjährigen Durchschnitt, nämlich um rund 16 Prozent.

Bei großen Speicherkraftwerken sieht die Situation anders aus. Die Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz oder das Kraftwerk Kaunertal in Nordtirol haben den Verlust etwas ausgleichen können. Sie konnten 2022 etwas mehr Strom (im einstelligen Bereich) produzieren als im langjährigen Durchschnitt. Diese Kraftwerke haben laut TIWAG vor allem von der Gletscherschmelze profitiert, weil Gletscher in ihren Einzugsgebieten liegen.

Die Gletscher verschwinden

Aufgrund der Erderhitzung hat sich die Gletscherschmelze in den vergangenen 20 Jahren deutlich beschleunigt, das zeigen Forschungen. Die Gletscher sind im Jahr 2022 besonders stark zurückgegangen, weil der Sommer heiß war und es im Winter wenig geschneit hat. Viele Gletscher würden schon bis Mitte des Jahrhunderts verschwinden, wenn weiterhin zu wenig für den Klimaschutz getan wird.

Das könnte für viele Wasserkraftwerke, die Wasser von den Gletschern bekommen, zum Problem werden. Die TIWAG bleibt aber optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass wenn die Schmelze zurückgeht, diese durch etwas erhöhte Niederschlag-Abfluss-Mengen insgesamt über das Jahr kompensiert wird“, meinte Lukas Larl-Zögernitz, Leiter der Abteilung Kraftwerksbetriebsführung bei der TIWAG.

Wissenschafterinnen und Wissenschafter können allerdings keine klaren Prognosen aufstellen, wie der Niederschlag in Zukunft ausfallen wird. „Wenn die Gletscher abgeschmolzen sind, dann gibt es im Sommer dieses zusätzliche Wasser nicht mehr. Somit ist man dann vom Regen abhängig und wie viel es regnen wird hängt davon ab, ob die Tiefdruckgebiete mehr im Norden oder im Süden der Alpen vorbeigehen. Das ist sehr schwierig vorherzusagen“, sagte Wolfgang Streicher, Professor für Energieeffizientes Bauen und Erneuerbare Energie an der Universität Innsbruck.

Gepatsch-Stausee im Kaunertal im Herbst
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Der Gepatschspeicher im hinteren Kaunertal speist das Kraftwerk Kaunertal. Im Jahr 2022 hat der Speicher viel Wasser vom schmelzenden Gletscher bekommen.

Auswertungen der Geosphere Austria (ehemals ZAMG) unterstreichen das. Zwar hätte die Niederschlagsmenge in Nordtirol seit 1858 zugenommen, im Vergleich zur Lufttemperatur sei Niederschlag aber ein schwer einzuschätzendes Klimaelement. Es sei außerdem schwer vorherzusagen, wohin die atmosphärische Zirkulation zusätzliche Wassermassen transportiert und in Form von Niederschlag wieder absetzt.

Häufigere Extremwetterereignisse

Wissenschaftliche Forschungen zeigen auch, dass Extremwetterereignisse häufiger werden. Wegen der Erderhitzung werden etwa trockene Phasen länger und Regen stärker. Die großen Tiroler Speicherkraftwerke würden helfen, die Stromproduktion über das Jahr zu verteilen. Denn im Gegensatz zu Laufkraftwerken können Speicherkraftwerke überschüssiges Wasser speichern und in trockenen Phasen abgeben. Es könne allerdings nicht vorhergesagt werden, wo und wann Naturkatastrophen stattfinden.

Breitere Aufstellung sei notwendig

Um auch in Zukunft genug Strom produzieren zu können, müssten deshalb die erneuerbaren Energien – also Wasserkraft, Photovoltaik, Biomasse und Windkraft – ausgebaut werden, rät Wolfgang Streicher. Je mehr unterschiedliche erneuerbare Energieträger genutzt werden, desto eher könne nämlich die Versorgungssicherheit gewährleistet werden und desto weniger sei man abhängig von Strom aus anderen Ländern.

„Wir werden zwar trotzdem die Wasserkraft weiter ausbauen müssen, weil wenn wir komplett auf fossile Energien verzichten, dann müssen wir das mit erneuerbaren Energieträgern ersetzen. Ich bitte aber ganz stark zu vermeiden, Tirol auf Wasserkraft zu reduzieren. Es gibt sehr viele andere Energieträger, die wir genauso dringend brauchen“, so Streicher. „Die Windenergie ist ein politisches Thema. Man könnte sie in Tirol sehr stark ausbauen. Es gibt gute Beispiele in der Steiermark: Windparks auf den Bergen, die sich schon seit 15 Jahren drehen und erweitert wurden.“