Platzertal
Sebastian Frölich
Sebastian Frölich
Chronik

WWF: Instabile Hänge bei Kraftwerksausbau

Zwei geologische Gutachten aus den Jahren 2020 und 2016 zeigen laut Umweltschutzorganisation WWF die geologische Instabilität der Berghänge rund um das bestehende Kaunertal-Kraftwerk. Der WWF fordert das Einsetzen einer „unabhängigen Expertenkommission“.

Der landeseigene Energieversorger Tiwag will das Kraftwerk Kaunertal zu einem Pumpspeicherkraftwerk ausbauen und damit die Strommenge verdreifachen. Dagegen machen der WWF sowie eine Bürgerinitiative mobil. Die Klimakrise verstärke die geologische Situation, weshalb man von der Tiroler Landesregierung das Einsetzen einer „unabhängigen Expertenkommission“ fordere, hieß es seitens des WWF am Donnerstag.

Klimawandel als Brandbeschleuniger

Bereits seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks in den 1960er-Jahren hätten sich die Hänge rund um den Gepatschstausee konstant bewegt, sagte Bettina Urbanek, die beim WWF auf das Thema Gewässerschutz spezialisiert ist, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. „Durch den Ausbau des Kraftwerks zum Pumpspeicherkraftwerk werden die dafür verantwortlichen Wasserspiegelschwankungen sogar noch stärker“, hielt sie fest.

Dazu kommen laut Urbanek durch den Klimawandel verursachte Entwicklungen wie etwa Gletscherschmelze oder das Tauen von Permafrostböden: „Dadurch werden Naturgefahren im Kaunertal noch wahrscheinlicher.“ Auch aus diesem Grund brauche es jetzt rasch weitere unabhängige Experten-Gutachten, an denen etwa Klima- oder Gletscherforscher und nicht die Projektwerber beteiligt seien, so Urbanek.

Bürgerinitiative fordert Planungsstopp

Oberstes Ziel sei dabei nach wie vor der Stopp des derzeit laufenden Prozesses, erklärte sie. Anita Hofmann, Obfrau des Vereins „Lebenswertes Kaunertal“, assistierte ihr dabei: „Wir wollen, dass es gar nicht in Richtung Umweltverträglichkeitsprüfung-Verfahren (UVP) geht.“ Dass das Projekt derzeit weiterverfolgt werde, sei für sie „unverständlich“.

Tiwag: Laufende Prüfungen

Naturgemäß anders beurteilte Wolfgang Stroppa von der Tiwag, Leiter des Programmbüros für Kraftwerksprojekte und am Rande der Pressekonferenz vor Ort, die Lage. Die Situation im Kaunertal rund um das Kraftwerk und dessen Ausbaupläne würden regelmäßig von der im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft angesiedelten Staubeckenkommission geprüft. Deren Gutachten aus dem Jahr 2015 sei „zu einer positiven Beurteilung des Projektes gelangt“ und sehe etwa zusätzliche Messpunkte vor, so Stroppa.

Entscheidung Ende Februar

Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren erstmals 2009 eingereicht worden. Die UVP für die rund zwei Milliarden Euro teure Erweiterung des Kraftwerks war 2012 gestellt worden. Spätestens bis Ende Februar 2023 soll eine Entscheidung fallen, wie es mit dem Projekt weitergeht. Umweltorganisationen hatten sich vehement gegen das Projekt ausgesprochen. 40 Vereine und Wissenschaftler hatten als „Umweltallianz“ im Mai die „Kaunertal-Erklärung“ unterschrieben, in der sie den sofortigen Ausbau-Stopp forderten. Im August hatte sich die Alpenschutzkommission CIPRA-International, der über 100 Organisationen aus dem Alpenraum angehören, der Kritik angeschlossen.

Für das Projekt plant die Tiwag, bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal – einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols – auszuleiten. Zudem würden im Platzertal neun Fußballfelder an Moorflächen geflutet. Mit seinen 120 Metern wäre der Staudamm fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl.

Liste Fritz fordert Pläne auf Eis zu legen

Für den Klubobmann der Liste Fritz, Markus Sint, sind die Gutachten Grund genug, die Pläne der Tiwag für ein Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal sofort auf Eis zu legen. „Die Gutachten verheißen nichts Gutes. Sie sind ein Alarmsignal und Weckruf und sind unbedingt ernst zu nehmen“, so Sint. Er sieht in dem Projekt kein Vorzeigeprojekt für die Energiewende in Tirol, zumal es frühestens in 15 bis 20 Jahren Strom produziere. Mit dem Platzertal werde ein ganzes Tal geflutet und eine Moorlandschaft im Ausmaß von neun Fußballfeldern zerstört.