Filmszene an Hotelrezeption
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Kultur

Werdeniggs Geschichte wird verfilmt

Die Geschichte der ehemaligen Skirennläuferin Nicola Werdenigg wird verfilmt. Mit einem Interview, in dem sie von sexuellen Übergriffen bis hin zu einer Vergewaltigung während ihrer Karriere berichtete, rüttelte sie 2017 die Skiwelt auf.

Aufrütteln soll ihre Geschichte 2023/24 auch im Kino: Denn Regisseur und Drehbuchautor Antonin Svoboda, der Werdenigg zufällig in einer griechischen Taverne kennenlernte, verfilmt diese in „Persona Non Grata“. „Das Thema gehört transportiert“, sagte Werdenigg am Set in Wien zur APA.

Schauspielerin musste nicht Skifahren

Gerti Drassl spielt die an Werdenigg angelehnte, jedoch fiktionale Andrea. Bereits im Zuge ihrer Rolle in der Volkstheater-Inszenierung „Heldenplätze“ musste sie sich mit der Thematik auseinandersetzen: Von einer Frau, deren Held Skirennläufer Toni Sailer ist, gegen den Vergewaltigungsvorwürfe laut wurden, wird sie nun zu einer Frau, die gegen Machtmissbrauch im Skiverband ankämpft. Skifahren musste sie da wie dort nicht, lachte die Schauspielerin, die zugibt, dass ihre Begabungen andernorts liegen. Gedreht wird u. a. in Wien, Südtirol und Griechenland.

Gerti Drassl als Andrea
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Gerti Drassl in der Rolle der Andrea

Anliegen wurde vielfach nicht verstanden

Es werde schnell be- und verurteilt, niemand frage sich jedoch, wie es der Person dahinter gehe, meinte Svoboda und verwies auf die Nachwehen von Werdeniggs Interview. Persona non grata war diese damals vor allem in Bergnähe: „Je näher der Skilift, desto größer waren die Anfeindungen“, erzählte sie.

Die Menschen hätten nicht verstanden, dass es ihr nicht darum gehe, ihren Sport anzupatzen, sondern um eine notwendige Veränderung im System. „Es war schon arg. Manche haben gemeint: ‚Wieso kommt sie jetzt damit?‘ Aber ich habe auch irrsinnig schöne Reaktionen erlebt. In Wien haben mich wildfremde Frauen in der Straßenbahn umarmt. Da habe ich gemerkt, dass das gut und richtig ist.“

Filmset an Hotelrezeption
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Andrea wird als „Nestbeschmutzer“ beschimpft

Umgang mit Traumata in der Familie

Wie es dem Menschen dahinter geht, will Svoboda nun zeigen. Die Fiktionalisierung biete außerdem die Möglichkeit, mit Maya Sarah Unger als Tochter Sara eine Familiengeschichte darüber zu erzählen, wie Traumata in Familien weitergegeben werden, meinte der Regisseur. Andrea verliert im Film zudem ihren Mann, muss sich im Leben neu orientieren.

„Was bedeutet es, Zweifel und Ängste zu durchleben und dann anzufangen, zu sprechen?“, beschreibt Drassl die inneren Konflikte ihrer Rolle. Diese sei ambivalent, authentisch, „ein Mensch aus Fleisch und Blut mit vielen Facetten“, der etwas erreichen will und nicht aufgibt. Von einem „sehr intensivem Charakterkino“ mit einer mutigen, modernen Frau um die 50 spricht Svoboda. Und kritisiert, dass bei Streamingdiensten vor allem junge Menschen gezeigt werden: „Ab der zweiten Lebenshälfte beginnen so viele neue Geschichten.“

Andrea im Film ist nicht Nicola Werdenigg

„Gerti (Drassl, Anm.) spielt Andrea, das bin nicht ich“, insistierte Werdenigg indes. Das reale Vorbild und die Filmfigur unterscheiden sich vor allem in ihrem Innenleben. Fast klingt es, als besitze Werdeniggs Geschichte zu wenig Drama für die Leinwand: Sie habe beim Interview keine Zweifel gehabt, sei nicht einsam gewesen, habe eine tolle Familie und einen Coach gehabt, mit dem sie darüber reden konnte.

Ihr eigener Fall beschäftigte aber die Gerichte und brachte andere Fälle ins Rollen. In der Skihauptschule Neustift in Tirol wurde etwa ein Pädagoge schuldig gesprochen. Heute setzt sich die Ex-Skifahrerin etwa mit ihrer Initiative #WeTogether für Sportlerinnen und Sportler in ähnlichen Situationen ein, auch bei der Gründung der Vertrauensstelle vera*, die für Sport, Kunst und Kultur zuständig ist, habe sie mitgearbeitet.

Problembewusstsein hat zugenommen

Ziel sei, dass Menschen, die sich öffnen, keine Benachteiligungen im Job erfahren müssen, und das Gespräch am Laufen zu halten, sagte Werdenigg. Mit dem ÖSV und seiner ersten Präsidentin Roswitha Stadlober habe sie jetzt eine Gesprächsbasis, und auch Problembewusstsein sei da. „Niemand kann sich mehr leisten, über solche Probleme hinwegzusehen.“

Werdenigg fordert Paradigmenwechsel im Sport

Insgesamt brauche der von politischen und wirtschaftlichen Kräften getriebene Sport einen Paradigmenwechsel, so Werdenigg, die auch auf die Fußball-WM in Katar anspielt. In Österreich wünscht sie sich an Kodizes geknüpfte Fördergelder, sowohl in Kunst und Kultur als auch im Sport. Drassl spricht die individuelle Ebene an: Man könne Kindern nicht früh genug Selbstbewusstsein wie das Stecken von Grenzen beibringen. Auch im Filmbereich kam es in der Vergangenheit zu Fällen von Machtmissbrauch. Trotz steiler Hierarchien setzt Svoboda an seinen Sets auf Begegnungen auf Augenhöhe.