Fünf Lawinen-Gefahrenstufen gibt es auf der europäischen Skala, aber zeitlich dominieren im Alpenraum zu 77 Prozent die Stufen 2 („mäßige Gefahr“) und 3 („erhebliche Gefahr“). Zu 21 Prozent der Zeit herrscht noch geringe Gefahr, während die Stufen 4 und 5 insgesamt nur gut zwei Prozent der Zeit abdecken. Daraus folgt, dass für Tourengeher vor allem die ersten drei Stufen relevant sind. Da stellt sich die Frage, ob da nicht eine weitere Differenzierung sinnvoll sein könnte.
Unterteilung ähnlich der Kletterskala
Mit Ausnahme der Gefahrenstufe 1, „geringe Gefahr“, gibt es in der Schweiz nun die Unterteilung, etwa in die Stufen 3-/3/3+. Für Alpinisten, die mit der klassischen Schwierigkeitsskala vertraut sind, dürfte klar sein, dass 3- ein „guter Dreier“ ist, 3+ hingegen ein „schlechter Dreier“. Allerdings gibt es die Unterteilung nur für trockene Lawinen. In Situationen mit drohenden Nassschneelawinen wird die Feinunterteilung nicht angewendet.
Laut einem Artikel in der Fachzeitschrift „Bergundsteigen“ wurde die Unterteilung intern vom SLF schon seit sechs Jahren angewendet, „die Analyse zeigte klar, dass die Abweichungen zwischen der im Lawinenbulletin prognostizierten Gefahrenstufe und den Rückmeldungen aus dem Gelände kleiner sind, wenn die Zwischenstufe berücksichtigt wird“ schreibt darin der Lawinenexperte Kurt Winkler.
Schweizer Experte nennt auch psychologische Gründe
Der Lawinenwarner aus dem Schweizer Davos verweist auch auf psychologische Fakten: Das menschliche Gehirn könne maximal fünf bis sieben definierte Klassen unterscheiden. Das seien weiterhin die Gefahrenstufen, zu denen es klare Definitionen gebe. „Zusätzlich sind wir aber problemlos in der Lage innerhalb der Klassen eine relative Rangfolge festzulegen“, so Winkler. Eine solche Unterteilung erfolge intuitiv und somit schnell. Er verweist aber auch auf die Gefahr, eine 3- auf eine 2 schönzureden.
Tirol setzt auf textliche Formulierungen
Beim Tiroler Lawinenwarndienst ist die feinere Unterteilung intern auch im Gebrauch, nach außen hin will man sie derzeit aber nicht verwenden. Man sei der Meinung, dass es in der Öffentlichkeit eher zu Verwirrung führe als es größeren Nutzen bringe, sagt Patrick Nairz vom Tiroler Lawinenwarndienst. Er sieht unter anderem die Gefahr, dass es zu Missverständnissen kommt, wenn etwa 3+ im Sinne von Schulnoten in Richtung einer geringeren Lawinengefahr interpretiert würde.
Gefahrenstufe ist Mix aus Situationen und Problemen
Man versuche, die Gefahr vermehrt mit den Lawinenproblemen zu kommunizieren, „weil das leichter verständlich ist“, so Nairz. Eine Gefahrenstufe repräsentiere viele verschiede Situationen, der verschiedene Lawinenprobleme zugrunde liegen. Deshalb sei es wichtig, immer den Text zu lesen. Das Verstehen der Texte des Tiroler Lawinenlageberichts soll auch dadurch erleichtert werden, dass gewisse Begriffe zu einem Glossar verlinkt werden.
Lagebericht wird oft zu oberflächlich gelesen
Dass offensichtlich viele den Lawinenwarnbericht nur auf die Gefahrenstufe reduzieren oder oberflächlich lesen, hat eine Studie mit einer kanadischen Universität in Vancouver gezeigt. Die Informationen im Lawinenreport würden laut Nairz im Gelände oft nicht richtig umgesetzt und Gefahrenbereiche nicht richtig erkannt.
Für Tirol vielleicht nie der richtige Weg
Das derzeitige Vorgehen in der Schweiz nennt Nairz einen Versuch. Man werde damit Erfahrungen sammeln und sehen wie sich das etabliere. Für Tirol meint er, dass es zu früh sei, in diese Richtung zu gehen, „vielleicht ist es für uns nie der richtige Weg“, so der Lawinenexperte.