Rutsche am Kinderspielplatz
ORF.at/Georg Hummer
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Umwelt

Südtirol: Pestizide weiter stark verbreitet

An Südtiroler Markt- und Spielplätzen oder Schulhöfen werden Pestizide weiter stark eingesetzt. Das zeigte die Analyse von 306 Proben an 88 Flächen. Zwar ging die Gesamtkonzentration an Pestiziden zurück, allerdings waren gefährliche Substanzen teilweise weiter stark verbreitet.

Die Analyse stammt von einem Team um Forscher vom Pesticide Action Network Deutschland (PAN) und die Erstautorin der im Fachmagazin „Science of the Total Environment“ erschienenen Studie, Ramona Cech, von der Universität für Bodenkultur (Boku). Mit beteiligt waren auch der Boku-Ökologe Johann Zaller und Wissenschafter der in Brüssel ansässigen Health and Environment Alliance (HEAL).

Gesammelt wurden die Proben auf 88 Flächen in Südtirol, auf denen keine Landwirtschaft betrieben wird. In der Region gibt es aber intensiven Apfelanbau. Aus Südtirol stammen rund 50 Prozent der in Italien verkaufen Äpfel, der Anteil am gesamteuropäischen Markt liege bei um die zehn Prozent, heißt es in einer Aussendung der Wissenschafter.

Spezielle Maßnahmen 2014 erlassen

Die Südtiroler Landesregierung hat 2014 Maßnahmen zur Verhinderung der Abdrift von Spritzmitteln erlassen. So müssen Abstandsregeln sowie zeitliche Einschränkungen eingehalten werden, außerdem wurde die Verwendung von abdriftmindernden Spritzdüsen verordnet. Damit seien die Vorkehrungen in Südtirol teils strenger als die kürzlich von der EU-Kommission vorgeschlagenen Eindämmungsmaßnahmen.

Das Forschungsteam hat bereits in früheren Untersuchungen Rückstände von Pestiziden auf Kinderspielplätzen, Schulhöfen und Marktplätzen in der Gegend nachgewiesen. Nun ging es u.a. um eine Analyse der Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen. Tatsächlich ging der Anteil der Proben, in denen mehrere Pestizide gefunden wurden, insgesamt zurück.

Äpfelbäume mit roten Äpfeln
APA/dpa
Die Proben wurden in Regionen mit intensivem Apfelanbau genommen

Den Effekt sollte man aber nicht überbewerten, so Zaller zur APA. So waren zwar 2014 noch alle untersuchten Flächen mehrfach kontaminiert, damals habe man aber auch gezielt nach Umgebungen mit vermuteten Konzentrationen gesucht. Im Frühling 2020 wies man auf 73 Prozent der dann zufällig beprobten Flächen zumindest eine von 314 untersuchten Substanzen nach, 27 Prozent wiesen mehrere Pestizidrückstände auf. Im Vergleich zwischen 2017 und 2020 gab es keine Reduktion.

Bedenklich sei, dass gerade Rückstände von für Menschen schädlichen Substanzen oft gemessen wurden: Am häufigsten tauchte über alle Messungen hinweg demnach das Fungizid Fluazinam auf. Es wird mit Schädigungen ungeborener Kinder in Verbindung und im Tierversuch mit Krebs in Verbindung gebracht, so die Wissenschafter. Häufig registriert wurden auch das Fungizid Captan und das Insektizid Phosmet.

Hoher Anteil an hormonell wirksamen Substanzen

Der Anteil an Pestizidrückständen, die die menschliche Fortpflanzung schädigen können, habe sich zwischen 2014 und 2020 erhöht, ähnliches gelte für Pestizide, die Organe schädigen können. Unverändert hoch sei der Anteil an Substanzen geblieben, die das Hormonsystem beeinträchtigen. Die gefundenen Substanz-Cocktails hätten im Vergleich 2020 zu 2014 keine Verbesserungen für Bienen und nur leichte Verbesserungen für Regenwürmer gebracht.

Warum sozusagen die „falschen“ Substanzen so prominent in den Messungen aufscheinen, lasse sich pauschal kaum festmachen. Allerdings sehe man, dass die Wetterlage einen höheren Beitrag zur Abdrift leistet als der Faktor, wie leicht flüchtig eine Substanz an sich ist, erklärte Zaller.

Modelle unterschätzen Problem

Die Studie zeige auch, dass bisher verwendete Computermodelle zum Abschätzen der Abdrift das Problem unterschätzen dürften. Daher fordern die Forscher eine starke Pestizid-Reduktion sowie eine Ausweitung vorgeschlagener Pufferzonen auf zumindest 50 Meter.

Blicke man in Richtung österreichischer Obstanbaugebiete, wie etwa Teile der Steiermark, sei davon auszugehen, dass man auf ähnliche Ergebnisse komme, glaubt Zaller. Allerdings gebe es hierzulande keine mit der Messreihe aus Südtirol vergleichbaren Daten, die öffentlich zugänglich wären.