Südtiroler Landtag in Bozen
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Politik

Bangen für Südtirol vor Italien-Wahl

Sollten die italienischen Rechtsparteien wie erwartet durch die Parlamentswahl kommende Woche an die Macht kommen, würde die Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie wohl blockiert, warnt der Südtiroler Politologe Günther Pallaver. Die Schutzfunktion Österreichs war erst kürzlich Thema in Wien.

„Das haben wir schon bei den anderen Mitte-Rechtsregierungen unter Berlusconi gesehen, wo es so gut wie keine Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut gegeben hat“, so der emeritierte Professor an der Universität Innsbruck gegenüber der APA.

Reformen könnten zum Stillstand kommen

Dass eine Rechtsregierung der Postfaschistin Giorgia Meloni die Autonomie aushöhlen und sich dafür auf einen Konflikt mit Österreich einlassen wird, glaubt der Politikwissenschafter indes nicht. „Wir sind nicht so wichtig, andere Dinge sind in Italien wichtiger. Sie werden uns in Ruhe lassen, aber es wird auch nichts weitergehen.“

Wichtige anstehende Reformen des Autonomiestatus seien etwa die internationalen, grenzüberschreitenden Beziehungen und die Beziehungen zur Europäische Union, in weiterer Ferne auch der ethnische Proporz. Das System, das die Vergabe öffentlicher Stellen im Größenverhältnis der drei Sprachgruppen in Südtirol regelt, sei längst von der sozialen Wirklichkeit überholt worden, so der Experte. Denn es würden vor allem im Gesundheits- und Pflegebereich, aber auch andernorts einfach die Leute fehlen.

Pallaver: „Beunruhigend für Europa“

Einen substanziellen Unterschied zwischen der nun in Umfragen führenden postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI) von Meloni zu früher regierenden Rechtsparteien sieht Pallaver nicht. Die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini sei von ihrer politischen Kultur und auch ihrer Wählerschaft fast rechtsextremer und gefährlicher als die Fratelli d’Italia. „Die Meloni schluckt jeden Tag Kreide, damit sie akzeptiert wird in Europa“, so der Experte. Ihre Forderungen nach einem Vorrang des italienischen Rechts vor dem europäischen Recht – ähnlich wie es die polnische Regierung gemacht hatte – sei jedoch für Europa sehr beunruhigend.

Trotz Vorbehalten gegenüber Meloni hat die Südtiroler Volkspartei (SVP) einen direkten Draht zu den möglicherweise bald regierenden Mitte-Rechtsparteien in Rom, da sie seit 2018 in der Südtiroler Landesregierung in einer Koalition mit der Lega regiert. Der EU-Abgeordnete der SVP, Herbert Dorfmann, wurde zudem in einer Listenverbindung mit Forza Italia gewählt. Die Koalition mit der Lega habe sich aus Sicht der Volkspartei insgesamt ausgezahlt, meint der Politologe. „Die Volkspartei hat noch sie so einen leichten Koalitionspartner gehabt, das politische Personal der Lega ist schwach, hat keine Regierungserfahrung, und die SVP kann tun, was sie will.“

Kompatscher lässt Wiederkandidatur noch offen

Der innerparteiliche Konflikt zwischen dem rechten und dem liberalen Flügel innerhalb der Südtiroler Volkspartei sei noch nicht beigelegt, meint Pallaver. Auf Druck der Basis und wegen der schlechten Umfragewerte habe man sich nach außen hin zusammengerauft. Entscheidend werde nun sein, ob Landeshauptmann Arno Kompatscher, der zum liberalen Flügel gezählt wird, erneut kandidieren wird, und welche Bedingungen er dafür stellt.

Dass sich Kompatscher mit seiner Entscheidung so lange Zeit lasse, sei durchaus taktisch klug, meint Pallaver. Damit habe er bessere Chancen, seine Bedingungen durchzubringen, „weil es für die Volkspartei kaum möglich wäre, in so kurzer Zeit vor der Landtagswahl im kommenden Jahr einen neuen Kandidaten zu finden und aufzubauen“.

Gute Beliebtheitswerte

Zudem sei der Landeshauptmann laut Umfragen beliebter als die Partei. Während die SVP nur mehr bei 37 Prozent Zustimmung liege, komme er immerhin auf 43 Prozent. „Damit hat Kompatscher gute Karten in der Hand.“ Gestärkt innerhalb der Partei könnte er dann nach der Landtagswahl 2023 vielleicht sogar eine Koalition mit den Grünen durchsetzen, zu denen er persönlich gewiss eine höhere Affinität habe, so Pallaver.

Österreich erneuert Versprechen der Schutzfunktion

Indes betonte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Besuch des Südtiroler SVP-Obmannes Philipp Achammer am Donnerstag in Wien die „Schutzfunktion“ Österreichs gegenüber Südtirol. Dabei wurde auch über die „Wiederherstellung der seit der Streitbeilegungserklärung 1992 eingeschränkten autonomen Kompetenzen“ Südtirols gesprochen, teilte die SVP mit. Nehammer kündigte an, deswegen mit der künftigen italienischen Regierung in Dialog treten zu wollen.

„Die österreichische Bundesregierung hat bereits mehrmals gegenüber der italienischen Regierung das Ersuchen ausgesprochen, dies in einem konstruktiven Austausch zwischen Rom und Bozen in Angriff zu nehmen. Dieses Ersuchen werden wir auch gegenüber der neuen italienischen Regierung nach dem 25. September geltend machen“, sagte Nehammer. Achammer bedankte sich bei Nehammer „für die verlässliche Unterstützung für unsere Anliegen“.