Maske hängt in Schule auf Hacken
APA/dpa/Marijan Murat
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Bildung

Psychische Gesundheit als Schulfach gefordert

Kinder- und Jugendpsychiaterin sowie Psychotherapeutin Kathrin Sevecke fordert schnellstmöglich flächendeckend und österreichweit ein Schulfach „Psychische Gesundheit“. Das senke unter anderem die Hemmschwelle für die frühzeitige Hilfesuche, sagte Sevecke im APA-Gespräch.

Ein solches Schulfach sei nicht nur aufgrund des nahenden Schulstarts, der eine zusätzliche psychische Belastung bedeute, sondern auch wegen der Folgen der Coronavirus-Pandemie und der Lockdowns dringend vonnöten, argumentierte die Direktorin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Hall und Innsbruck. Damit gebe man den Kindern und Jugendlichen ein besseres Rüstzeug bei psychischen Erkrankungen und Symptomen in die Hand und senke die Hemmschwelle für die frühzeitige Hilfesuche.

„Die Akutaufnahmen an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind im Vergleich zu 2019 im Jahr 2021 um rund 40 Prozent angestiegen“, nahm Sevecke auf eine von ihr geleitete Studie Bezug.

Aktuelle Themen als zusätzliche Belastung

Allein auf etwaigen Schulstress, Home-Schooling oder Isolation in Coronavirus-Zeiten will Sevecke diese Entwicklung aber nicht reduzieren. „Der Mädchenanteil stieg im Jahr 2021 zwar auf 74,4 Prozent“, berichtete die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Mädchen sind in der Phase der Adoleszenz aber generell sensibler“, so Sevecke. Dazu kämen emotionaler und psychischer Druck beispielsweise durch Rollenbilder oder Schönheitsideale, strich die Expertin heraus.

Kathrin Sevecke
privat
Kathrin Sevecke

Dennoch verstärke das Coronavirus diesen Druck natürlich noch. „Der Onlinekonsum ist klar gestiegen und damit auch die Auseinandersetzung mit solchen Themen in den sozialen Netzwerken“, sagte sie. Problematisch sei zudem, dass derzeit neue Krisen hinzukämen. „Es sind aktuell auch Themen wie Wirtschaftskrise, Klimakrise und Krieg, die Jugendliche und auch Kinder zusätzlich belasten“, betonte sie. Das sei angesichts der bisherigen Zahlen keine gute Entwicklung, denn im Zeitraum der Coronavirus-Pandemie hätte die akute Suizidalität in dieser Altersgruppe um 48,3 Prozent zugenommen.

Patienten und Familien werden zu Hause besucht

Diesen Tendenzen müsse man jedenfalls mit zumindest verdoppelten Betreuungskapazitäten begegnen. „Bei uns in Hall stehen derzeit 93 Personen auf der Warteliste“, berichtete sie von der aktuellen Istsituation. Man wolle dennoch zu den bereits bestehenden Stationen „kein Stockwerk draufsetzen“, sondern ergänzend auf Modelle wie „Home-Treatment“ setzen.

Diese Zuhausebetreuung, bei der wechselweise Krankenpflegerinnen, Psychologen und Fachtherapeutinnen die Patientinnen und Patienten und deren Familie zu Hause besuchen, hätte klare Vorteile: „Patienten müssen womöglich gar nicht in die Klinik oder können früher nach Hause entlassen werden.“ Es gehe jetzt um die Klärung der rechtlichen Fragen und um den Gestaltungswillen und das Wohlwollen der Tiroler Landesregierung, so Sevecke.