Mit den Stimmen von Grünen, Liste Für Innsbruck (FI), SPÖ und den kleineren Fraktionen NEOS, Liste Fritz und Alternativer Liste hat der Innsbrucker Gemeinderat den „Wohnungsnotstand“ ausgerufen. Ein solcher Beschluss ist die formale Voraussetzung, um die Möglichkeiten des Bodensbeschaffungsgesetzes des Bundes aus dem Jahr 1974 zur Anwendung zu bringen. Allerdings braucht es dazu als nächsten Schritt eine entsprechende Verordnung der Landesregierung.
Die SPÖ, auf deren Initiative der Beschluss für den Wohnungsnotstand zurückgeht, nimmt deshalb das Land in die Pflicht. Auf Basis der Verordnung könnten in Innsbruck dann Flächen ausgewiesen werden, bei denen die Stadt ein Vorkaufsrecht für Bauland beanspruchen kann. In Extremfällen wären nach dem Gesetz sogar Enteignungen gegen Entschädigungen möglich. Möglich wäre das bei allen Grundstücken, die als Bauland gewidmet und größer als 2.000 Quadratmeter sind.

Der Innsbrucker SPÖ-Chef Benjamin Plach spricht von einer dramatischen Lage auf dem Innsbrucker Wohnungsmarkt. Mit den Instrumenten des Bodenbeschaffungsgesetzes „wäre dann einer Spekulation mit Grund und Boden ein Riegel vorgeschoben, da die Stadt in Grundstücksgeschäfte eintreten kann“, so Plach.
Juristisches Neuland bei Bodenbeschaffungsgesetz
In Österreich ist das Bodenbeschaffungsgesetz allerdings seit Inkrafttreten vor fast 50 Jahren noch nie zur Anwendung gekommen. Weil Vorkaufsrecht und Enteignung durch die öffentliche Hand rigorose Eingriffe ins Eigentumsrecht bedeuten, ist bei der Umsetzung mit Einsprüchen und langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen zu rechnen.
Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) hofft, dass die Entscheidung des Landes zugunsten der Stadt ausfällt. Sollte das Land per Verordnung den „Wohnungsnotstand“ in Innsbruck bestätigen, würde das den Weg dafür öffnen, um „politisch schärfere Möglichkeiten für leistbares Wohnen durchzubringen“, so Willi. Innsbruck könnte der Präzedenzfall für die erstmalige Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes werden.

80 Grundstücke in Innsbruck kommen infrage
Ein „quantitiver Wohnungsbedarf“ nach dem Bodenbeschaffungsgesetz liegt vor, wenn in einer Gemeinde zwei Prozent der Bevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet sind oder als solche anerkannt werden. In Innsbruck waren zu Jahresbeginn mehr als 5.000 Wohnungssuchende zu verzeichnen, das waren weitaus mehr als zwei Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner mit Hauptwohnsitz, so die Erläuterungen zum Gemeinderatsbeschluss am Donnerstag.
Demnach ist laut Gesetz ein Antrag an die Landesregierung für eine Verordnung nach dem Bodenbeschaffungsgesetz möglich. Die Stadt hat bereits erhoben, dass rund 80 Grundstücke in Innsbruck für Eingriffe nach dem Gesetz infrage kommen.
Land wartet auf Antrag, FI glaubt an Ablehnung
Das Land Tirol teilt auf Anfrage des ORF am Freitag mit, dass man jetzt auf einen Antrag nach dem Bodenbeschaffungsgesetz aus Innsbruck warte. Dann werde man prüfen, ob eine Verordnung des Landes möglich ist.
Die Liste Für Innsbruck begründete ihre Zustimmung zum „Wohnungsnotstand“ damit, dass sie sich jetzt eine Klarstellung des Landes erwarte, wonach das Bodenbeschaffungsgesetz „totes Recht“ sei und der Antrag demnach abgelehnt werde. „Mit der Anfrage an das Land Tirol, werden wir bald wissen, ob es tatsächlich eine Eingriffsmöglichkeit in den privaten Verkauf von Grund und Boden gibt. Eher glaube ich aber an eine rote Nebelgranate, deren Verglühen wohl vorhersehbar ist“, so die frühere Innsbrucker Bürgermeisterin und jetzige Stadträtin Christine Oppitz-Plörer (FI).