In den letzten Wochen sind die Hilfsgesuche und Anfragen in den Sozialberatungsstellen in Tirol deutlich angestiegen. Das Geld für die Schulsportwoche fehlt, die dringend notwendige Therapie kann nicht finanziert werden, am Ende des Monats bleibt der Kühlschrank leer. Urlaube oder Geburtstagspartys mit Freunden sind in solchen Situationen sowieso ein unerfüllbarer Wunschtraum.
Arm oder armutsgefährdet zu sein, bedeutet nicht nur Mangel an Geld, sondern auch Mangel an sozialer Teilhabe, sagt Jürgen Gschnell, stellvertretender Direktor der Caritas Tirol. Dies sei für Kinder eine große Belastung. „Wenn ich bei vielen Dingen nicht dabei sein kann, bin ich ausgeschlossen. Einerseits schämen sie sich für die Situation, auf der anderen Seite wollen sie es verschleiern. Das macht Druck auf die Kinderseele.“
Kinder haben schon früh Existenzängste
Arm oder armutsgefährdet zu sein verbaut vielen Kindern auch die Chance auf eine gute Ausbildung. Früher als andere beginnen sie zu arbeiten, um ihre Familie finanziell unterstützen zu können. Aufgrund der fehlenden Ausbildung sind dies meist schlecht bezahlte Jobs, sagt Sozialarbeiterin Franziska Werner von der Volkshilfe Tirol. Armutsbetroffene Kinder und Jugendliche seien schon sehr früh damit konfrontiert, Verantwortung zu übernehmen und zu verzichten. „Sie streben auch nicht nach einer Karriere, sondern wollen nur, dass ihre Existenz gesichert ist“, so Werner.
Studien würden zeigen, dass armutsbetroffene Menschen auch im Erwachsenenalter kränker sind, sowohl körperlich als auch psychisch. „Weil sie sehr früh mit Themen konfrontiert werden, mit denen sich ein Kind nicht beschäftigen sollte“, so Franziska Werner von der Volkshilfe.
Ein Drittel nimmt Hilfe nicht in Anspruch
Es brauche finanzielle Hilfe, die bei den Armutsbetroffenen ankommt und sie unmittelbar entlastet, sagt Armutsforscher Andreas Exenberger von der Universität Innsbruck. Rund ein Drittel jener Menschen, die eigentlichen einen Rechtsanspruch auf Unterstützung hätten, nehmen diese gar nicht in Anspruch. Zum Teil aus Scham, zum Teil, weil vielen nicht bewusst ist, dass sie ein Recht darauf haben.
Es gelte deshalb, eine Kultur zu schaffen, in der sich Menschen nicht als Bittsteller vorkommen, so Exenberger, der darauf hinweist, „was man nicht alles nachweisen muss, um eine soziale Unterstützungsleistung zu bekommen“.
Oftmals fehle es aber auch an Information. In einem Forschungsprojekt wird deshalb derzeit ein digitaler Sozialroutenplan für Westösterreich ausgearbeitet, um den Zugang zu Informationen über Sozialleistungen und Anlaufstellen zu verbessern und vor allem niederschwelliger zu gestalten.
Weitere Unterstützungsleistungen nötig
Um betroffenen Kindern und Jugendlichen eine gute Zukunft zu ermöglichen, brauche es aber auf jeden Fall noch mehr Unterstützungsleistungen, vor allem in Zusammenhang mit Bildung. Hier brauche es Investitionen in die Zukunft – etwa in Schulsozialarbeit, Lernunterstützung und aktive Integration an den Schulen, so Exenberger.