Flächenkollektoren auf einem Einfamilienhaus
ORF.at/Michael Baldauf
ORF.at/Michael Baldauf
wirtschaft

Vor Energie-Wende kommt Energieeffizienz

Durch Gebäudesanierung kann der Heizwärmebedarf um über 84 Prozent gesenkt werden. Das zeigt ein internationales Forschungsprojekt mit Tiroler Beteiligung. Energieeffizienz ist entscheidend, wenn es um Energiepreise und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern geht.

Von Öl und Gas wegkommen, CO2 längerfristig einsparen, auf nachhaltige Energiemodelle umsteigen und gleichzeitig Kosten sparen – so lautet der Tenor. Zu wenig Beachtung werde jedoch der Effizienz-Frage geschenkt, hält der Leiter des Forschungszentrums für nachhaltiges Bauen an der Universität Innsbruck, Rainer Pfluger, fest. Durch Gebäudesanierung könne der Heizwärmebedarf um über 84 Prozent gesenkt werden. Wie das geht, zeige auch ein Sanierungsprojekt in St. Johann in Tirol.

Entwicklung Energiepreise
APA
Die Energiepreise steigen in ungeahnte Höhen. Eine effiziente Sanierung kann Energie und gleichzeitig Kosten sparen.

Durch gezielte bauliche Maßnahmen werde dort der Energieverbrauch für Heizung, Warmwasseraufbereitung und Belüftung in drei ausgewählten Mehrfamilienhäusern minimiert, so der Experte. Die Planungsphase sei nun abgeschlossen, Baustart ist im Frühjahr 2023. Das Vorhaben ist Teil eines internationalen und von der EU geförderten Forschungsprojekts, an dem neben Österreich auch Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Spanien, Griechenland und Bulgarien beteiligt sind.

32 Wohnungen werden in St. Johann saniert

Insgesamt werden beim Projekt 207 Wohneinheiten mit einem Budget von rund 30 Millionen Euro saniert. Durch modulare Systeme, industrielle Vorfertigung und durch eine Optimierung von Fertigungsprozessen auf der Baustelle soll nicht nur der Passivhaus-Standard für die Sanierung erreicht, sondern die Sanierung auch kosteneffizienter, schneller und weniger störend für die Bewohner sein, führte Pfluger aus.

In St. Johann werden 32 Wohnungen aus dem Jahr 1961 gemeinsam vom Arbeitsbereich für energieeffizientes Bauen der Universität Innsbruck und der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Neue Heimat Tirol saniert. Die Sanierung umfasse unter anderem eine minimalistische Lüftungsanlage über die Fassade und zusätzliche Balkone, erklärte Pfluger.

Wetterfühliges Haus in Pukersdorf
ORF
Mit Passivhäusern könne viel Energie und Energiekosten gespart werden.

Neu sei, dass die Lüftungsanlage in modularen Systemen rasch und minimalinvasiv an der Außenwand angebracht werden kann. Zudem sollen die Fenster getauscht, die Wände sowie die oberste Geschoß- und Kellerdecke gedämmt und die Heizsysteme vereinheitlicht werden. Die gesamte Sanierung der drei Baukörper würde insgesamt nicht mehr als ein Jahr dauern, schätzte Pfluger.

Energiesparen heißt nicht gleich Verzicht

Das Ziel sei, den Heizwärmebedarf um über 84 Prozent zu senken, sagt Pfluger: „Eine Herausforderung bei den kalten Wintern vor Ort.“ Durch die Sanierung werde behaglicher Wohnkomfort und bestmögliche Luftqualität erreicht, zeigte sich Pfluger überzeugt. Den Menschen sei die angenehme Seite von Energieeinsparung zu wenig bewusst, so der Bau-Experte: „Energiesparen hat leider noch immer den negativen Beigeschmack von Verzicht.“ Dabei würde der Wohnkomfort durch höhere Oberflächentemperaturen der Außenwände und die frische Luft durch die Wärmerückgewinnungsanlage sogar noch höher.

Effizienz sei eine der wichtigsten Energiequellen, betonte der Bauphysiker. Erstes Ziel solle immer sein, den Energieverbrauch soweit wie möglich zu senken, um erst dann weg von Öl und Gas zu nachhaltigeren und regenerativen Energiequellen zu wechseln, so der Experte. Jeder Einzelne könne sich bereits jetzt durch einfache Maßnahmen für den kommenden Winter rüsten – etwa mit einer reflektierenden Beschichtung der Heizkörper oder Dämmung von Armaturen.