Kultur

Ungebrochener Widerstand von „Pussy Riot“

Die putinkritische Band „Pussy Riot“ hat am Sonntag ein Konzert in St. Johann in Tirol gegeben. Die Show war ausverkauft, und die Punkband spielte in einem berstend vollen Konzertsaal. Der Frontfrau war erst kürzlich die Flucht aus Moskau gelungen.

Das System Putin schaffte es über all dies Jahre offenbar nicht, die Frauen und den Mann der Punkband „Pussy Riot“, die immer wieder mit provokanten Aktionen gegen den Kreml von sich reden machte, zum Schweigen zu bringen. Sängerin und Frontfrau Maria Vladimirovna „Masha“ Aljochina – die erst kürzlich als Essens-Lieferantin verkleidet aus Russland geflohen ist – sagte vor ihrem Auftritt der APA, dass sie auf dieser Tour „ihre Meinung zur Ukraine-Situation möglichst laut sagen will“.

Maria Aljochina floh nach Europa

Für Aktivisten, die gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin auftreten, sei die Situation jetzt viel schlimmer als noch vor ein paar Jahren, sagt Maria Aljochina. Sie fordert den Westen auf, Gas und Öl nicht mehr von Russland zu kaufen. Damit finanziere der Westen den Krieg in der Ukraine und die Folter gegen Regimekritiker in Russland.

Aljochina immer wieder im Gefängnis

Sie habe zudem „genug Zeit im Gefängnis und im Hausarrest gesessen“. Auf der Bühne zeigte sich dieser Freiheitsdrang dann schließlich mit ohrenbetäubender Lautstärke oder hochpolitischen Videoeinspielungen mit starkem Putinbezug. Das multimediale Spektakel, durchkomponiert bis ins letzte Detail, ließ neben Brachialausdruck aber auch leise Zwischentöne zu. Das Vorprogramm bestritten Susanna Gartmayer und dieb13, die sich noisig-jazzig-rauschenden Randgebieten widmeten.

Security für die Sicherheit

Der Veranstalter des Konzerts in St. Johann Hans Oberlechner berichtet, dass man sich wegen der zugespitzten politischen Lage für eine private Konzert-Security entschieden hatte. „Pussy Riot“ war aber schon vor eineinhalb Jahre gebucht worden.

Nach einem Auftritt in Deutschland trafen Aljochina und Bandkollegin Olga Borisova mit deutlicher Verspätung erst gegen 18.30 Uhr in St. Johann ein und waren gleich bereit zum Posieren. Nur anfänglich wirkten sie in ihrem Bus zerknirscht und müde. Die Fahrt war offensichtlich lange. Als beide aber aus ihrer Sicht adäquat adjustiert waren, stellte man sich Fotografen und Schaulustigen. Aljochina und Borisova setzten sich gekonnt am Anhänger ihres Busses in Szene.

Ukrainische Flagge im Tourbus

Wenige Minuten zuvor war bereits ihr Tourmanager eingetroffen, dessen Auto alt und mehr als unspektakulär. Ein russisches Kennzeichen wies aber darauf hin, dass es sich hier um die Vorhut des Pussy-Riot-Trosses handelt. Noch deutlicher deutete die ukrainische Flagge im Rückfenster aber auf den Kontext des Besuches hin.

Russen haben Angst vor Regime

Maria Vladimirovna „Masha“ Aljochina bestreitet vehement, dass 80 Prozent der Russen mit dem Angriff auf die Ukraine einverstanden sind. Vielmehr traue sich die Bevölkerung nicht, Putin zu widersprechen. Das würde jahrelange Gefängnishaft nach sich ziehen. Aljochina selbst nennt Putin einen „Terroristen“.

Der Soundcheck der Band musste wegen der späten Ankunft im Schnelldurchlauf durchgezogen werden: Pussy Riot checkte Ton, gab Anweisungen, wies die technisch Verantwortlichen auf die richtige Verbindung von Sirenen-Klängen und Lichtshow hin. Die Stimmen der Bühnen-Akteurinnen klangen mal melodiös, mal kreischend-infernalisch. Dazu gab es harte Beats und, dezent eingestreut, Saxofon-Klänge des einzig männlichen Mitglieds, Anton Ponomarev.

Pussy Riot
ORF
Pussy Riot in der „Alten Gerberei“ mit einem durchkomponierten Programm, das Wut und auch leise Töne zuließ.

Pussy Riot für Freilassung Nawalnys

Pussy Riot wurde vor zehn Jahren durch ein Konzert in einer Moskauer Kirche gegen Machthaber Wladimir Putin schlagartig weltweit bekannt. Aljochina wurde deswegen 2012 mit ihrer Bandkollegin Nadeschda Tolokonnikowa zu zwei Jahren Straflager verurteilt. Ende 2013 wurden sie begnadigt und kamen frei. Aljochina geriet aber immer wieder ins Visier der russischen Strafverfolgungsbehörden, etwa im Zusammenhang mit Demonstrationen für den eingesperrten Kreml-Gegner Alexej Nawalny. Zuletzt stand sie unter Hausarrest.