Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (links) und SVP-Obmann Philipp Achammer
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Politik

Abhöraffäre: Rücktrittsforderungen in der SVP

Rund um die Abhöraffäre in Südtirol hat eine Pressekonferenz von Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) und SVP-Obmann Philipp Achammer erneut parteiinterne Bruchlinien offenbart. Beide Spitzenvertreter der Südtiroler Volkspartei (SVP) forderten Rücktritte, allerdings in völlig unterschiedliche Richtungen.

Seit Wochen schwelt ein innerparteilicher Streit. Ausgangspunkt waren Abhörprotokolle, die im Zuge der Ermittlungen rund um die Vergabe der Buskonzessionen in Südtirol an die Öffentlichkeit gekommen waren. Sie zeigten laut Polit-Kommentatoren ein verstörendes Sittenbild parteiinterner Vorgänge und Mächtespiele.

Kompatscher erklärte bei der Pressekonferenz am Montag, dass er im Beisein Achammers den SVP-Landesrat Thomas Widmann zum Rücktritt aufgefordert habe. Widmann hatte sich in den Abhörprotokollen abfällig über den Landeshauptmann geäußert. Kompatscher verwies zwar auf die gute Arbeit des Gesundheitslandesrates vor allem während der Pandemie. Allerdings sei das Vertrauensverhältnis völlig zerstört. Widmann hatte in einem der abgehörten Telefonate Kompatscher als den „schlechtesten Landeshauptmann“ bezeichnet.

Kompatscher ließ bei der Pressekonferenz offen, wie Widmann auf die Rücktrittsaufforderung reagiert habe. Der Landeshauptmann bekräftigte allerdings, dass er dem langjährigen Landesrat Widmann in jedem Fall alle Ressortverantwortlichkeiten und Kompetenzen in der Landesregierung entziehen werde.

Im Buch „Freunde im Edelweiss“ wird die SVP-Affäre aufgearbeitet
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In ihrem Buch haben die Südtiroler Journalisten Christoph Franceschini und Artur Oberhofer die Affäre aufgearbeitet

SVP-Obmann wollte andere Lösung

Diese Vorgangsweise war offenbar nicht mit SVP-Obmann Achammer akkordiert. Dieser sprach bei der Pressekonferenz davon, dass er eine „andere Lösung bevorzugt“ hätte. Achammer seinerseits preschte mit einer Rücktrittsforderung an den stellvertretenden Parteiobmann Karl Zeller vor, einem Vertrauten von Landeshauptmann Kompatscher und auch dessen Anwalt.

Dem Obmannvize war von Gegnern des Landeshauptmannes vorgeworfen worden, die Abhörprotokolle an die Medien weitergegeben zu haben. Auch SVP-Fraktionschef Gert Lanz wurde im Zuge der Pressekonferenz infrage gestellt. In einer Sitzung der Landtagsfraktion soll geklärt werden, wie es um den Rückhalt für ihn steht. Wenn es nach dem Willen Achammers geht, soll darübhinaus der SVP-Bezirksobmann von Bozen Stadt und Land, Christoph Perathoner, soll gehen.

Keine Fragen bei Pressekonferenz zugelassen

Fragen waren nach dem Medienauftritt der beiden SVP-Granden nicht zugelassen. Ursprünglich hatte nur Achammer zu der Pressekonferenz geladen, in der er über die „aktuelle Situation informieren“ wollte. Offenbar reklamierte sich daraufhin auch Kompatscher in die Presseerklärung hinein. Das Klima zwischen den beiden SVP-Spitzen gilt seit längerer Zeit als sehr belastet. Auch während des gemeinsamen Auftritts am Montag wirkte das Verhältnis von Parteiobmann und Landeshauptmann distanziert.

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP)
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Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) fordert personelle Konsequenzen in er Abhöraffäre

Abhörprotokolle aus SAD-Affäre erschüttern Partei

Die SVP-internen Verwerfungen hatten sich im Zuge der sogenannten „SAD-Affäre“ zuletzt immer mehr zugespitzt. Ausgangspunkt war die öffentliche Ausschreibung der Konzessionen für einen Großteil der öffentlichen Buslinien in Südtirol. Die Staatsanwaltschaft hatte 2018 bei ihren Ermittlungen in der Causa eine Reihe von Telefonabhörungen durchgeführt, deren Protokolle in den vergangenen Monaten in den Medien gelandet waren. Darunter waren auch Gesprächsprotokolle, die mit der Vergabe nichts zu tun hatten und die keine strafrechtliche Relevanz besitzen.

In der SVP stehen sich zwei Lager gegenüber, die sich zunehmend offen bekriegen. Dem als eher links-liberal verorteten Flügel der SVP um Landeshauptmann Kompatscher steht das eher konservative Lager gegenüber. Das Bekanntwerden der Abhörprotokolle führte dazu, dass der Konflikt zunehmend öffentlich ausgetragen wurde.

Umstrittene Ausschreibung

Die SAD-Affäre beschäftigt die Südtiroler Landespolitik schon seit längerem. Eine erste Ausschreibung der Buslinien war vom Land annulliert worden, da Dokumente dazu an die Öffentlichkeit gekommen waren. Ingomar Gatterer, der CEO des größten Busunternehmens SAD im Land, das einen Großteil dieser Konzessionen derzeit noch betreibt, witterte darin eine bewusste Störung der Ausschreibung und erstattete Anzeige. Zwischen der SAD und dem Land gibt es bereits seit Längerem einen erbitterten Kampf mit zahlreichen Gerichtsverfahren. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft endeten Anfang Dezember 2021 schließlich mit der Feststellung, dass die öffentliche Verwaltung und der Landeshauptmann keinen Fehler begangen und ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit gehandelt hätten.