Protestierende Pflegende am Klinikareal
ORF
ORF
Chronik

Proteste: Pflegekräfte gehen auf die Straße

In Tirol haben am Dienstag 20 Protest-Kundgebungen von Gewerkschaftern und Betriebsräten gemeinsam mit Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitsbereich stattgefunden. Gefordert wurden vor allem bessere Arbeitsbedingungen in ihrem Berufsumfeld.

„Wir sind auf Sturm gebürstet“, sagte Birgit Seidl, Zentralratsvorsitzende der Tirol Klinken, bei der Innsbrucker Kundgebung, an der rund 250 Personen teilnahmen. Dass dieser Sturm auch eine ganz konkrete Wirkung haben soll, machte Seidl in Innsbruck rasch deutlich: „Es geht vor allem um eine faire Bezahlung“. Man brauche darüber hinaus „endlich eine Pflege-Reform“, die zu einer „Attraktivierung der Branche“ führen soll, meinte die Zentralratsvorsitzende außerdem kurz vor Beginn der Kundgebung im APA-Gespräch.

Protestierende Pflegende am Klinikareal
ORF
Proteste am Areal der Innsbrucker Klinik

Flankiert von zahlreichen Menschen aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich, auf deren Schildern beispielsweise „Wir fordern attraktive Ausbildungsplätze“, „Personalmangel im Krankenhaus gefährdet Ihre Gesundheit“ oder auf einem großen Transparent „Pflegenotstand wäre heilbar – Es ist Zeit zu handeln!“ stand, erklomm sie schließlich eine kleine, improvisierte Holzbühne am Klinik-Areal.

Zangerl: Grenzt an Körperverletzung

Diese teilte sie sich unter anderem mit dem Vorsitzenden des Tiroler GÖD-Landesvorstandes, Gerhard Seier, und dem schwarzen Tiroler Arbeiterkammer-Präsidenten Erwin Zangerl. Letzterer griff zu drastischen Worten, die er an die Bundesregierung richtete: „Wenn sie nicht arbeiten will, dann soll sie zurücktreten“. Es könne jedenfalls nicht sein, dass „monatlich 100 Kollegen im Pflege- und Gesundheitsbereich ausbrennen“, denn dies grenze mittlerweile eindeutig an „Körperverletzung“.

Protestierende Pflegende am Klinikareal
ORF
Pflegende weisen auf einen Notstand hin

Man sei frustriert, weil „nichts weitergehe“, sagte außerdem sein Vorredner Seier und rief auch die Landespolitik auf, „endlich konkrete Schritte" zu unternehmen“. Es dauere nämlich alles „schon viel zu lange“, strich er heraus und erntete dafür lautstarke Zustimmung, ausgedrückt durch Trillerpfeifen und Applaus. Ebenjene Form der Zustimmung erhielt auch Tirols ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth (SPÖ), der eine „3-M-Regel in der Pflege“ forderte, die „mehr Personal, mehr Freizeit und mehr Geld“ beinhalten solle.

Weitere Kundgebungen angekündigt

Auch in anderen Tiroler Städten und Gemeinden, etwa in Jenbach oder Kitzbühel, waren bis 15.00 Uhr rund 20 Kundgebungen unter anderem in Pflegeheimen, abgehalten worden. Weitere, noch größere Kundgebungen sollen am „Internationalen Tag der Pflege“ am 12. Mai folgen. Organisiert wurden die Kundgebungen am Dienstag vom Österreichischen Gewerkschaftsbund Tirol (ÖGB), den Gewerkschaften Öffentlicher Dienst (GÖD), der Gewerkschaft GPA, vida und von younion_Die Daseinsgewerkschaft.

Betriebsrätin: Es wurde weggeschaut

Die Zentralbetriebsratsvorsitzende Birgit Seidl sagte im Vorfeld der Proteste in einem ORF-Interview, eine Situation wie diese habe sie noch nie erlebt. Sie sei schockiert, weil man das erwarten habe müssen, aber man nichts getan und weggeschaut habe. Gerade in den letzten zwei Jahren habe man viel Flexibilität an den Tag gelegt und etwa auch auf fremden Stationen gearbeitet. „Die Luft ist herausen“, diagnostiziert die Betriebsratsvorsitzende. Es gebe Überstunden ohne Ende, die nicht mehr abgebaut werden könnten, „wir brauchen jetzt einfach einmal Perspektiven“.

Auswirkungen sind „fatal“

Die Auswirkungen seien in allen Häusern in den Bezirken zu spüren und bereits jetzt fatal. Man habe in diversen Stationen geschlossene Bereiche, „wenn sich nicht was ändert, dann sehe ich die Gefahr, dass die Pflege nicht mehr aufrecht erhalten werden kann“, so Seidl. Man habe ganz großen Bedarf an Mitarbeitern. Einerseits seien viele krankheitsbedingt ausgefallen, weil sie auch positiv seien, andererseits sei der Personalnotstand schon vor Corona Thema gewesen, „die Babyboomer gehen in Pension“.

Umfangreiches Forderungspaket

Die angekündigte Pflegereform müsse endlich umgesetzt werden, so Seidl. Man brauche adäquate Arbeitsbedingungen, zeitgemäße Personalbedarfs-Berechnungen, interessante Ausbildungsbedingungen und Stationen, wo die Auszubildenden nicht als volle Arbeitskraft eingesetzt seien. Auch eine faire Entlohnung sei großes Thema, fügt Seidl gegenüber dem ORF hinzu.