Seit einem Schlaganfall zu Beginn des Jahres kann Renate Wograndl ihren linken Arm nicht mehr bewegen. Wie bei vielen anderen Schlaganfallpatientinnen ist die Verbindung zwischen dem für Bewegung zuständigen Areal ihres Gehirns und dem Arm verlorengegangen. Erste Versuche in der Neurologieabteilung des Landeskrankenhauses Hochzirl zeigen nun, dass eine Gehirn-Computerschnittstelle (im Fachjargon BCI: Brain-Computer Interface) in der Lage ist, den abgerissenen Kontakt bis zu einem gewissen Grad zu überbrücken.
„Wir lesen die Absicht, sich zu bewegen“
Eine Elektrodenhaube ermöglicht es dem Computer, Frau Wograndls Hirnströme im Bewegungsareal sichtbar zu machen, ähnlich wie bei einem EEG (Elektroenzephalogramm). Mit Gedankenlesen habe das nichts zu tun, versichert Serafeim Perdikis, Neurologietechniker und BCI-Spezialist an der Universität Essex: „Wir lesen keine Gedanken, das wäre gefährlich. Was wir wirklich zu lesen versuchen, ist eine Aktivität, die typisch für eine Bewegung ist, oder zumindest für die Absicht einer Bewegung.“

Wenn Frau Wograndl sich darauf konzentriert, ihren gelähmten Arm zu bewegen, verändern sich die Wellen am Computerbildschirm, mit dem sie verbunden ist. "Wir versuchen, diese Muster, dieses Auf- und Ab in den Hirnströmen, zu entdecken, und wir verwenden Erkennungsmodelle, um sie in Entscheidungen zu übersetzen, ob die Patientin versucht, sich zu bewegen oder nicht“, erklärt Perdikis.
Die Bewegungsabsicht wird belohnt
Nach etwa einer halben Stunde kann der Computer eine Bewegungsabsicht der Patientin klar definieren, und damit beginnt die zweite Phase, die Rückkopplung, wie Serafeim Perdikis es nennt: „Wenn wir das erkennen, versuchen wir, es zu belohnen: mit einer Bewegung, die auf natürlichem Wege nicht mehr erfolgen kann, ausgelöst durch eine FES.“ FES heißt funktionelle Elektrostimulation. Der Computer sendet ein Signal an ein Exoskelett, das Frau Wograndls Arm umschließt. Diese künstliche Gliedmaße führt den gelähmten Arm dann in eine Bewegung: strecken, greifen, loslassen, je nachdem, was die Neurotechniker eingeben.

Hier zeigen sich die aktuellen Grenzen des BCI: es könne zwar eine Bewegungsabsicht erkennen, aber noch nicht unterscheiden, ob die Patientin die Finger schließen oder öffnen möchte, sagt Luca Randazzo, Robotikspezialist in Lausanne. Es bedürfe noch vieler Daten und Versuche, um die Algorithmen zu verfeinern.
Hoffnung auf neue Therapiemöglichkeiten
Schon die ersten Versuche ließen jedoch auf neue Therapiemöglichkeiten hoffen, sagt Elke Pucks-Faes, die Primaria des Landeskrankenhauses: "Das Neue ist, dass der Patient selber an die Bewegung denken muss, und nicht, wie bei den anderen Geräten, die wir in der Therapie einsetzen, von außen gesteuert wird.“
Dass der Patient die Bewegung, auf die er sich konzentriere, unmittelbar sehe und spüre, könne dazu beitragen, neue Verbindungen im Gehirn herzustellen, sagt Pucks-Faes. Robotiker Luca Randazzo ergänzt: „Wenn wir Feedback geben, wenn wir den Menschen sagen: das war gut, das erkennen wir, das belohnen wir, indem wir deine Hand schließen – dann kannst du das lernen.“

„Das gibt mir Hoffnung, dass ich’s irgendwann auch alleine kann“, sagt Renate Wograndl nach den ersten Versuchen. Ob diese Hoffnung berechtigt ist, wird sich in den nächsten zweieinhalb Jahren zeigen. So lange soll das Forschungsprojekt in Hochzirl betrieben werden.