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Das langsame Ende der Telefonzelle

580 Telefonzellen gibt es derzeit noch in Tirol. Bedarf ist eigentlich kaum vorhanden. Vor kurzem wurde das Telekommunikationsgesetz geändert, nun werden viele Telefonzellen abgebaut. Einige bleiben und könnten zu Lebensrettern werden.

Die Tage der Telefonzellen sind gezählt: Zunehmend werden sie aus dem Landschaftsbild verschwinden. Im Telekommunikationsgesetz war bis Ende des vorigen Jahres geregelt, dass in jeder Gemeinde eine Telefonzelle stehen bzw. es pro 1.000 Einwohner eine Telefonzelle geben muss. Nun werden sie sukzessive abgebaut.

Aufgelegt und ausgedient

In Österreich gibt es derzeit noch 11.000 öffentliche Anschlüsse, in Tirol sind es 580, davon befinden sich 84 in Innsbruck. Heutzutage werden sie selten verwendet, meist kaum noch wahrgenommen. Der Siegeszug des Handys hat die Telefonzelle zum Schweigen gebracht. Laut der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH „RTR“ sind die Anrufe über Telefonzellen 97 Prozent weniger geworden als noch vor 10 Jahren.

2 alte Telefonzellen
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Die Telefonzellen prägten das Stadtbild

„Touristen und Menschen mit einem leeren Handyakku verwenden in der Regel unsere Telefonzellen“, weiß Christoph Wellenzohn, A1-Vertriebsleiter für Westösterreich. Wie viele der derzeit vorhandenen Münzfernsprecher abgebaut werden, sei noch nicht fixiert. Manche werden neue Aufgaben übernehmen, etwa als Bücherzelle, Autoladestation oder DEFI-Zelle.

Telefonzelle als Lebensretter

Bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde. „Die Überlebenswahrscheinlichkeit sinkt pro Minute um zehn Prozent, nach rund drei Minuten treten im Gehirn bereits erste nicht wiedergutzumachende Schäden auf", erklärt Mario Krammel, geschäftsführender Präsident des Vereins Puls.

Die Stadt Innsbruck hat gemeinsam mit der Leitstelle Tirol und dem zuständigen Betreiber fünf Telefonzellen mit Defibrillatoren ausgestattet, die auch von Laien bedient werden können. Ein solches Gerät erhöht die Überlebenschance im Notfall wesentlich.

Defi-zelle
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Im Notfall Scheibe einschlagen und Leben retten.

„Die Verwendung der Defibrillatoren ist sehr einfach“, erklärt Bernd Noggler von der Leitstelle Tirol: „Das Gerät ist selbsterklärend, es wird zudem ein Notruf zur Leitstelle aufgebaut. Unsere Notrufexperten helfen am Telefon kompetent weiter.“ Sollte kein Defibrillator in einer Telefonzelle vorhanden sein, können die Mitarbeiter den nächstgelegenen Standort nennen, so Noggler weiter.

Die Standorte der fünf DEFI-Zellen in Innsbruck sind: Innrain 6, Höttinger Au 72a, Andechsstraße 81, Maximilianstraße 4 und Klara-Pölt-Weg 2.

119 Jahre Telefonzellen in Österreich

Der Siegeszug der Telefonie in Österreich begann am Wiener Südbahnhof, als im August 1903 der erste Münzfernsprecher in Betrieb ging.

erste Telefonzelle
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Das erste Telefon Österreichs wurde am Südbahnhof in Betrieb genommen.

Der erste Münzfernsprecher in Tirol wurde wenige Jahre später in Brixlegg installiert. In den 1990er Jahren waren mehr als 30.000 Telefonzellen über ganz Österreich verteilt. Die „öffentlichen Sprechstellen“ ermöglichten es, am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen.

Wertkarte
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Die Wertkarte wurde gerne gesammelt.

Mit der Telefonwertkarte wurde eine Innovation eingeführt: Sie ermöglichte langes münzfreies Plaudern, was Wartenden allerdings viele Nerven kostete. Außerdem wurden die kleinen Plastikkarten gerne gesammelt.

Erinnerungen an die Zeit der Telefonzellen

Der Geruch, die dicken Hörer, sowie der Klang der fallenden Münzen ist vielen noch in guter Erinnerung: „Ich habe die Anonymität genossen, meine Eltern sollten nicht wissen mit wem ich telefoniere“, meint etwa Christoph Klien aus Innsbruck in einer Umfrage. „Der Zahlknopf musste beachtet werden, gern hat man auf den dicken Telefonbüchern auch mal was liegen gelassen, leider war es einmal meine Geldtasche,“ erinnert sich Christian Engerle aus Völs.

Beliebtes Element in Film und Fernsehen

Telefonzellen sind in Film und Fernsehen gern verwendete Motive. „Vor allem in Agentenfilmen verwenden Zeugen oder Entführer oft Telefonzellen, um anonym zu bleiben. In Science-Fiction oder Fantasy-Filmen dient die Kabine als Portal in eine andere Welt: Bei Harry Potter etwa führt sie ins Zaubereiministerium, bei Matrix in die digitale Welt und bei Dr. Who dient sie als fiktive Raum-Zeit-Maschine“, weiß die Ethnologin Marion Näser-Lather von der Uni Innsbruck.

Nach dem Thriller „Bei Anruf Mord“ hatte Alfred Hitchcock den Wunsch, einen kompletten Spielfilm in einer Telefonzelle zu inszenieren. Die Idee dazu fehlte ihm. Regisseur Joel Schumacher wagte sich mit dem US-Thriller „Nicht auflegen!“ an das Thema und sorgte für einen Überraschungserfolg.