Kilometerlange Staus nach dem Unfall auf der Brennerautobahn bei Innsbruck
zeitungsfoto.at
zeitungsfoto.at

Kompatscher forciert digitalisierte Maut

Südtirols LH Arno Kompatscher (SVP) wird in den kommenden Wochen das Konzept einer „digitalisierten Brennerautobahn“ bei der Regierung in Rom einbringen. Er sieht darin die einmaligen Chance, mittel- und langfristig dem überbordenden Transitverkehr auf der Brennerstrecke Herr zu werden.

Mit dem neuen System soll umweltfreundlicher Transitverkehr belohnt und umweltschädlicher per Maut verteuert werden, sagte Kompatscher im APA-Interview und ortete großen Rückhalt in Rom. Zudem enthalte das System die Möglichkeit einer „Buchbarkeit“ der Strecke durch die Frächter, so der Landeshauptmann. Das bedeute, dass neben der Umweltfreundlichkeit auch die Belastung der Infrastruktur ein Kriterium sein soll, ob eine höhere oder eine niedrigere Maut zu entrichten ist.

Arno Kompatscher
ORF
Arno Kompatscher glaubt, mit seinem Vorschlag zur digitalisierten Maut in Rom Gehör zu finden.

Stauverhinderung eines der Ziele

„Die Maut wird entrichtet entsprechend der Umweltklasse des Fahrzeuges. Je weniger Schadstoffe, umso billiger. Je mehr Schadstoffe, umso teurer. Zudem muss man mehr bezahlen, wenn mehr Verkehrsteilnehmer an dem Tag die Autobahn benützen – und umgekehrt“. Die Frächter würden also selber entscheiden können, wann sie eine Fahrt unternehmen und entsprechend buchen. So würden weniger Staus generiert: „Besser ein fließender, umweltfreundlicher Verkehr, als ein blockierter Stauverkehr“, argumentierte Kompatscher.

Gewichtige Politiker in Rom tragen Grundidee mit

Der Landeshauptmann ortete gegenüber der APA reelle politische Chancen, dass das Projekt mittel- und langfristig zur Anwendung kommen könne. Die „digitalisierte Autobahn“ werde von Südtirol und anderen Provinzen wie dem Trentino im Zuge der Einbringung des Konzepts für die Neuvergabe der Brennerautobahn-Konzession miteingebracht. "Eine Umsetzung ist realistisch, weil die Grundidee vom italienischen Umweltminister, vom Verkehrsminister sowie vom Ministerpräsidenten Draghi begrüßt wird.

Sie beurteilen diese als interessant und innovativ". Ebenso EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei darüber informiert worden. Und auch Brüssel habe bereits positive Signale gesendet. Zudem wären die Frächter – wenn auch „mit Bauchschmerzen“ – mit an Bord. „Wird das Projekt mitsamt der Neuvergabe der Konzession genehmigt, dann gilt es als Regierungsauftrag“, betonte der Landeschef. Dann komme es im besten Fall zu einem schrittweisen Umsetzen. Dafür brauche es aber die jeweilige staatliche Ebene sowie die EU-Ebene.

Anzeigen für automatisches Dosiersystem bei Blockabfertigungen bei Kufstein
ORF
Die Blockabfertigungen in Kufstein sind für Kompatscher keine Dauerlösung

Notmaßnahmen für Kompatscher keine Dauerlösung

„Wir brauchen neue Konzepte und Ideen. Und wir haben sie“, sah Kompatscher mögliche „Gamechanger“. Die Maßnahmen des Landes Tirol mit Blockabfertigungen und dergleichen seien „Notmaßnahmen“, die von Südtirol solidarisch unterstützt würden. Aber sie bringen langfristig keine Lösung. „Es braucht Lösungen, die tatsächlich einen Einfluss auf die Entscheidungen der Verkehrsteilnehmer haben. Und das sind Lösungen über die Brieftasche“.

Indes steht einmal mehr die Frage eines sogenannten „trilateralen Gipfels“ – also zwischen Deutschland, Italien und Österreich – in Sachen Transit im Raum. „Es sollte und kann einen solchen Gipfel noch heuer geben. Aber er gehört gut vorbereitet – einen solchen zu veranstalten, nur um sich zu treffen und eine Absichtserklärung zu unterschreiben, ist zu wenig. Es müssen konkrete Pflöcke eingeschlagen werden“, so Kompatscher. Ein solches Treffen mit klaren Inhalten würden jedenfalls unter anderem Südtirol, Trentino und das Bundesland Tirol mit Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) vorantreiben.

Andreas Leitgeb
NEOS
Neos-Verkehrssprecher Andreas Leitgeb ortet einige Schwachstellen am sonst interessanten Vorschlag Kompatschers.

Neos begrüßt Vorschlag, ortet aber Schwachstellen

Einiges abgewinnen kann den Vorschlägen Kompatschers NEOS-Verkehrssprecher Andreas Leitgeb. Die Streckenbuchbarkeit würde dem von ihm ins Spiel gebrachte Permitsystem ähneln. Hier müsse aber unbedingt eine Stunden- und Tageskapazitätsgrenze festgelegt werden, so Leitgeb. Kritisch sieht er allerdings die günstigeren Mauttarife für umweltfreundliche Lkw. Damit sei der überbordende Transitverkehr nicht in den Griff zu bekommen, glaubt er. Schließlich seien jetzt schon zahlreiche Lkw am neuesten umwelttechnischen Stand.

Zum Vorschlag eines trilateralen Gipfels richtet Leitgeb dem Südtiroler Landeshauptmann aus: „Gesprächen in dieser Sache darf man sich keinesfalls verschließen. Sie allein werden der Weisheit letzter Schluss aber nicht sein. Denn wenn sich die Beteiligten – wie etwa Deutschland beim Berlin-Gipfel 2019 – nicht an die daraus resultierenden Vereinbarungen halten, sind diese Treffen maximal ein netter Kaffeeplausch unter Politikern."