Ein Wohnungsschlüssel in einer Tür aufgenommen am Mittwoch, 10. Juli 2013, in einer Wohnung in Wien.
APA/HERBERT NEUBAUER
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Soziales

Angst vor Wohnungsverlust wächst

Immer mehr Menschen in Tirol geraten durch die Pandemie in Finanznöte und in Rückstand mit der Miete. Die Beratungsstelle für Delogierungsprävention verzeichnete heuer deutlich mehr Anfragen. Das Land Tirol richtete einen Mietrückstandsfonds ein.

„Mit Kurzarbeit oder mit Jobverlust durch die Pandemie ist es vielen Menschen leider nicht mehr gelungen die Miete zu bezahlen, und das haben wir stark gemerkt“, sagte Michael Hennermann von der Beratungsstelle für Delogierungsprävention. Schon 2020 ist die Zahl der Beratungen im Vergleich zum Jahr 2019 um fünfzehn Prozent auf 746 Haushalte gestiegen. 2021 gab es bei der Zahl der betreuten Haushalte erneut eine Steigerung um elf Prozent.

Abtransport von Habseligkeiten bei Delogierung
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Mit der Delogierungsprävention soll verhindert werden, dass Betroffene ihre Wohnung verlieren

Auch Besserverdiener sind betroffen

Auffallend sei in diesem Jahr eine Veränderung bei den Klientinnen und Klienten gewesen, die den Weg in die Beratungsstelle genommen haben, so Michael Hennermann: „Es kommen zunehmend Menschen zu uns, die früher ein höheres Einkommen gehabt haben, für die sich das Leben finanziell gut ausgegangen ist“. Durch Kurzarbeit während der Pandemie oder mitunter einen Jobverlust ist es aber für sie schwierig geworden.

Viele Betroffene würden aus dem Gastro- und Tourismusbereich kommen oder seien selbstständig gewesen. „Durch die niedrigeren Auszahlungen über das Arbeitslosengeld waren sie nicht mehr in der Lage ihr Leben und ihre Miete zu finanzieren, obwohl das vorher nie ein Thema war“, sagte der Leiter der Beratungsstelle. Viele von ihnen hätten eine Scheu um eine Beratung oder staatliche Hilfe zu bitten.

Hilfe bei Mietrückständen

Wichtig sei es, bei Mietrückständen möglichst früh in die Beratungsstelle zu kommen. „Es gibt fast immer eine Lösung. Es geht viel leichter, je früher man sich um diese Sache kümmert. Es ist keine Schande, gerade in dieser Zeit geht es vielen Menschen so. Das Geld ist knapp“, warb Michael Hennermann dafür keine Scheu davor zu haben, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Das Land Tirol hat im Sommer als erstes Bundesland in Österreich einen Mietrückstandsfonds eingerichtet. Verantwortlich dafür war Soziallandesrätin Gabriele Fischer von den Grünen. „Wir haben seit Juni 165 Anträge bearbeitet und konnten da wirklich rasch eine Delogierung verhindern“, so Fischer. Der Fonds ist mit 300.000 Euro dotiert. Bis Mitte Dezember wurden 175.000 Euro aus dem Fonds an 161 Haushalte ausbezahlt. Die Beträge variierten zwischen 175 und 3.250 Euro.

Bewohner an der Wohnungstür
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Wer rechtzeitig Hilfe sucht, hat laut Expertinnen und Experten mehr Chancen, das Dach über dem Kopf zu behalten

Mietrückstandsfonds wird bis 2022 verlängert

„Oft scheuen sich Betroffene aus Schamgefühl davor, rechtzeitig professionelle Unterstützung zu suchen“, so Landesrätin Gabriele Fischer. „Doch je eher die Möglichkeiten ausgelotet werden, desto effektiver kann das Problem gelöst werden. Die Hilfe ist niederschwellig, unbürokratisch und kann rasch gegeben werden. Angesichts der Pandemiefolgen ist es so wichtig wie noch nie, miteinander füreinander da zu sein“, sagte die Soziallandesrätin.

Der Mietrückstandsfonds des Landes wird auch 2022 weitergeführt werden. Anträge können bei der Delogierungspräventionsstelle des Vereins für Obdachlose gestellt werden.

Sorge vor steigenden Energiekosten

Sorgenvoll blickt man bei der Beratungsstelle für Delogierungsprävention in die Zukunft. Die Energie- und damit die Betriebskosten steigen. „Es kommen schon jetzt Menschen zu uns, die verzweifelt sind und sagen, das wird schwierig das durchzustehen. Auch wenn die Pandemie hoffentlich bald vorbei ist, diese Mietpreissteigerungen und ständig steigenden Betriebskosten werden uns bleiben“, sagte Michael Hennermann und forderte Gegenmaßnahmen.

Stromzähler
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Steigende Energiekosten verschärfen die Situation

Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) sagte dazu, dass es eine gemeinsame Anstrengung brauchen werde, um die Mieten runterzubekommen. „Wir müssen schauen, dass die Einkommen wirklich ein Auskommen ermöglichen, was in Tirol ja auch nicht immer der Fall ist. Da sind die Einkommen oft so gering, dass man keine Chance hat die Lebenserhaltungs- und Mietkosten zu stemmen. Da wird man irgendwann gegensteuern müssen“, sagte die Landesrätin.