Einnahmen-Ausgaben-Rechnung eines Pensionisten
APA/ROLAND SCHLAGER
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Soziales

Pandemie verstärkt Probleme der Armut

Durch die Folgen der Pandemie sind mehr Menschen von Armut betroffen. Dass die Pandemie bereits bestehende Probleme verstärkt, zeigte nun eine Studie des Tiroler Armutsforschungsforums in Zusammenarbeit mit dem Land Tirol.

Der Absturz in die Armut kann schnell erfolgen und passiert in Zeiten einer Pandemie oft noch schneller. Plötzlich sind Menschen von Armut betroffen, die vorher in guten Verhältnissen gelebt haben, sagt Studienleiter Andreas Exenberger. Bei vielen Dinge, die schon zuvor nicht gut funktioniert hätten, hätte sich in der Pandemie gezeigt, dass dort ein zusätzliches Problem entstanden sei.

Dazu gehören Einkommensverluste durch Jobverlust oder Kurzarbeit, notwendige Kinderbetreuung durch Distance Learning, psychische Gesundheit und fehlende soziale Teilhabe. Besonders prekär war demnach die Situation von Alleinerzieherinnen und insbesondere wohnungsloser Frauen und ihren Kindern, erläuterte Exenberger. Personen mit Ressourcen haben in der Pandemie „Wahlmöglichkeiten, die andere nicht hatten“. Die Ergebnisse würden ein klare Verringerung der Teilhabechancen, insbesondere im Bereich Schule dokumentieren.

Acht Teilprojekte beleuchten die jeweilige Betroffenheit

Die Erhebungen wurden vom Land mit einem Betrag in der Höhe von 60.000 Euro gefördert und von Forschenden der Universität Innsbruck, des MCI und der fh gesundheit Tirol in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein unicum:mensch durchgeführt.

Die Studie basiert auf acht Teilprojekten, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Armutsbetroffenheit beleuchten. So wurde vor allem das Armutsrisiko und die Armutsbetroffenheit von Menschen mit Bildungsdefiziten, Working Poor, Menschen mit Fluchterfahrung, älteren Menschen, Frauen sowie Menschen mit psychischen und mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen wissenschaftlich untersucht.

Digitalisierung als zusätzliche Hürde

Digitalisierung mancher Abläufe stellte für Betroffene in manchen Fällen zusätzliche Hürden dar. Dadurch, dass von Obdachlosigkeit oder Armut betroffene Menschen oft von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind und von notwendigen oder sinnvollen Betätigungen ausgegrenzt werden, verfestige sich die Armutslage, präsentierte der Studienautor weitere Ergebnisse.

Frauen müsse man besonders unterstützen, sagt Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne): „Wir haben drei Millionen Euro bereitgestellt, um Frauen bei der Erwerbstätigkeit, beim Widereinstieg in der Digitalisierung und auch in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen.“

Vermutlich aus Scham noch nicht mehr Anträge gestellt

Trotz der Verschärfung der Armut gibt es noch keine nennenswerte Steigerung bei den Anträgen auf Sozialhilfe. Bisher seien rund 100.000 Menschen in Tirol von Armut betroffen, darunter seien 30.000 Kinder Andreas Exenberger. Es könne nicht weniger geworden sein. Dass die Zahl noch nicht gestiegen sei, habe vermutlich mit der Schambehaftetheit von Armut zu tun. Menschen würden sich nicht trauen, einen Antrag auf Sozialhilfe zu stellen – vor allem nicht die, die das erste Mal in so einer Situation seien, sagt Exenberger.

Die Folgen würden laut Exenberger also erst verspätet spürbar werden. Deshalb brauche es mittel- und langfristige Maßnahmen, um die Folgen der Pandemie für Armutsbetroffene abzufangen.

Sechsteilige Workshop-Reihe ergänzt Studie

"Die Ergebnisse des gesamten Projekts wurden und werden in Form der sechsteiligen Workshop-Reihe ‚Armut aktuell‘ zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 kommuniziert und diskutiert. Sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialeinrichtungen, die mit Armutsbetroffenen arbeiten, aber auch die interessierte Öffentlichkeit kann an diesen Workshops teilnehmen“, sagte Exenberger.

Die Ergebnisse der Workshops fließen gemeinsam mit den Erkenntnissen der Studie in eine finale Publikation ein. Die Workshop-Reihe soll zudem in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.