Naturwald Engalm
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Umwelt

20 Jahre Wald ohne menschlichen Eingriff

Was passiert, wenn man einen Wald sich selbst überlässt? Vor 20 Jahren stellten sich Land Tirol und Bundesforste diese Frage und stellten einige Waldgebiete unter besonderen Schutz. Es entstanden Naturwaldreservate, die vielen seltenen Arten neuen Lebensraum bieten.

Mit 20 Jahren steckt ein Wald quasi noch in den Kinderschuhen. Aber nachdem es in den ausgewiesenen Naturwaldreservaten im Karwendel – immerhin rund 500 Hektar – freilich Altbestände gegeben hat, kann man nach zwei Jahrzehnten ohne menschliche Eingriffe durchaus interessante Schlüsse ziehen. Insgesamt gibt es in Tirol Naturwaldreservate mit einer Gesamtfläche von 3.700 Hektar.

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Hermann Sonntag (l.), GF des Naturparks Karwendel, Egon Fritz (M.) von den Bundesforsten und Förster Silvester Rainer (r.) beim Lokalaugenschein im Naturwaldreservat Engalm

Für Bundesforste „wichtige Naturlabore“

Naturwaldreservate entstehen, wenn Waldbesitzer vertraglich zusichern, den Wald nicht mehr zu nutzen. Dafür erhalten sie in Tirol eine Entschädigung vonseiten des Landes. Wichtiger Partner für das Land ist mit den Bundesforsten der größte Waldbesitzer in Tirol.

Für den Leiter des Forstbetriebs Oberinntal, Egon Fritz, sind solche Naturwaldreservate wie Naturlabore. Seitens der Bundesforste könne dort beobachtet werden, so Fritz, ob solche Wälder die Schutzfunktion weiterhin erfüllen, ob die Verjüngung funktioniert, und letztlich auch, welche Einflüsse sich negativ auf die Waldentwicklung auswirken.

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Mächtige Tannen, Fichten und Buchen zeichnen den Naturwald nahe der Engalm aus
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Auf über 300 Jahre schätzen die Experten diese Tanne im Naturwaldreservat
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Der Naturwald erfüllt auch ohne Eingriff des Menschen seine Schutzfunktion vor Lawinen und Steinschlag
Naturwald Engalm
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Bei geschlossenem Kronendach haben es Jungpflanzen schwer. Sobald sich dieses aber lichtet, beginnt die Selbstverjüngung (r.) sofort.
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Totholz ist Lebensraum für viele Tier, Pflanzen und Mikroorganismen
Schwarzspecht
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Der Schwarzspecht liebt Naturwälder mit Totholz – er gilt als Baumeister des Waldes, denn seine Höhlen werden von bis zu 20 Tieren nachgenutzt
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Naturwälder tragen enorm zur Artenvielfalt bei
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Die mächtigen Baumstämme, aber auch Totholz bieten Schutz vor Steinschlag
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Umgestürzte Bäume werden bewusst nicht aus den Naturwaldreservaten entfernt – sehr zur Freude vieler Pilze, Moose und zahlreicher Mikroorganismen
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Eine junge Tanne beginnt zu sprießen

Weiters ziehe man, so Fritz, aus diesen Naturwäldern wichtige Rückschlüsse für die Waldbewirtschaftung der Zukunft. Hier verfolgt man bei den Bundesforsten bekanntlich schon länger das Ziel weg von der Monokultur hin zu gesunden Mischwäldern. Das sei vor allem in Hinblick auf den Klimawandel wichtig, so Fritz. Sollte nämlich eine Baumart wegen der höheren Temperaturen ausfallen, könnten diesen Ausfall andere kompensieren.

Verjüngung und Schutzwald funktionieren

Allein im Naturpark Karwendel gibt es aktuell elf verschiedene Naturwaldreservate. Eines liegt in unmittelbarer Nähe der Engalm in der Hinterriß. Mächtige Tannen, Fichten und Buchen halten hier Schneemassen und zum Teil große Gesteinsbrocken zurück und schützen so den Almbereich. Diese Schutzfunktion habe in den letzten 20 Jahren nicht nachgelassen, so Egon Fritz.

Auch was die Verjüngung betrifft, sind die Ansätze zufriedenstellend. Dort, wo große Bäume umgestürzt sind und sich das Kronendach gelichtet hat, schieben sofort junge Tannen, Fichten und Buchen nach.

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Wo große Bäume umgestürzt sind, lichtet sich das Kronendach, und auf dem Waldboden entsteht neues Leben

Totholz als Motor für die Artenvielfalt

Umgestürzte Bäume bleiben bewusst als Totholz im Wald liegen bzw. bleiben alte Stämme stehen. Das rege die Artenvielfalt enorm an, so Naturpark-Geschäftsführer Hermann Sonntag. Beispielsweise liebt der Schwarzspecht solche Wälder mit Totholz. Als Baumeister des Waldes baut er Baumhöhlen, die von bis zu 20 verschiedenen Tieren nachgenutzt werden.

Auch zahlreiche Pilze, Farne und Mikroorganismen finden im Totholz einen wichtigen Lebensraum, den es sonst nur noch selten gibt. „Wir verfolgen beim Naturschutz in Tirol zwei wesentliche Strategien: die Renaturierung und die Unterschutzstellung von wertvollen Naturgütern wie eben den Naturwäldern“, begründet Naturschutzlandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) den finanziellen Einsatz des Landes.

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Allein im Naturpark Karwendel gibt es elf solcher Naturwaldreservate

Schutz für weitere 20 Jahre

Seitens des Landes hat man sich jetzt gemeinsam mit den Bundesforsten und dem Naturpark Karwendel dazu entschlossen, knapp 200 Hektar Naturwald für die kommenden 20 Jahre weiterhin unter besonderen Schutz zu stellen. Seitens des Naturparks will man diese Zeit nutzen, um die Entwicklungen in diesen Wäldern auch wissenschaftlich zu begleiten und zu dokumentieren – sowohl was die Fauna als auch die Flora betrifft.