Heute zieht der Lech in breiten Kies- und Schotterbänken seine Mäander und zeichnet so ein unverwechselbares Bild in die Landschaft des Lechtals. Ein Bild, das vor 20 Jahren noch ganz anders aussah, denn in den Jahrzehnten davor hat man den Lech durch harten Verbau und Begradigungen versucht zu bändigen.
Das ist zwar gelungen, die Nebenwirkungen waren allerdings beträchtlich. Das Flussbett tiefte sich mehr und mehr ein, der Grundwasserspiegel im Lechtal sank und viele Auwälder verschwanden – und mit ihnen auch etliche Tier- und Pflanzenarten. Vor 20 Jahren kam dann die große Trendwende.

Hoher Schutzstatus nicht ohne Widerstände
Vor 21 Jahren hat Tirol – wie im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur EU vereinbart – den Lech zum Natura 2000 Gebiet erklärt. Die Widerstände aus der Bevölkerung waren anfangs enorm, weil befürchtet wurde, dass damit jeglicher Entwicklung im Lechtal ein Riegel vorgeschoben wird. Schließlich bedeutete die Unterschutzstellung, dass es am Lech zu keiner Verschlechterung für die Natur mehr kommen dürfe. Mit üppigen Fördermitteln von Land, Bund und der EU konnten die Bürgermeister schließlich doch überzeugt werden, die Skepsis allerdings blieb.

Mittlerweile ist am Lech bereits das zweite Life-Projekt mit Millionenförderungen seitens der EU abgeschlossen. Durch massive bauliche Maßnahmen ist es in 20 Jahren gelungen, dem einst verbauten Lech vielerorts wieder sein natürliches Bachbett zurückzugeben – mit zahlreichen positiven Nebenaspekten.
Life-Lech-Projekt II
Im Zuge dieses Projekts, das zu 60 Prozent mit EU-Mitteln finanziert wurde, sind in den letzten fünf Jahren insgesamt 13 Vorhaben am Lech umgesetzt worden. Knapp 7 Millionen Euro wurden investiert, um den Fluss zu verbreitern und damit den Hochwasser- und Artenschutz gleichermaßen zu verbessern.
Win-win-Situation für Hochwasserschutz und Natur
Die Renaturierung des Lech bedeutete ein völliges Umdenken im Hochwasserschutz, wie sich der langjährige Wasserbau-Chef im Baubezirksamt Reutte erinnert. Statt Begradigen war plötzlich Aufweiten angesagt. In enger Abstimmung mit den Experten der Umweltabteilung des Landes sei es gelungen, dem Lech wichtige Überflutungszonen zurückzugeben und gleichzeitig neuen Lebensraum für Fauna und Flora zu schaffen. Dadurch dass der Lech jetzt bei Hochwasser viel mehr Fläche hat, sich auszubreiten, seien nicht nur die Gemeinden im Lechtal besser geschützt, sondern auch jene im angrenzenden Deutschland.

Gleichzeitig ist es gelungen, den Grundwasserspiegel wieder anzuheben, neue Flächen für die ursprüngliche Natur zu schaffen und Seitenbäche wieder anzubinden. Das hat zur Folge, dass sich seltene Pflanzen wie die deutsche Tamariske und seltene Tierarten wie der Flussregenpfeifer, die gefleckte Schnarrschrecke oder Äschen, Koppen und Elritzen wieder heimisch fühlen, wie Reinhard Lentner von der Abteilung Umwelt des Landes erklärt.
Positive Auswirkungen auf den Tourismus
In den letzten 20 Jahren hat das Lechtal enorm an Bekanntheit zugelegt, weiß Heinrich Ginther. Er ist Obmann des Vereins Naturpark Lech und langjähriger Bürgermeister der Lech-Gemeinde Elmen. Vor 21 Jahren habe er selbst noch an der Protestkundgebung am Landhausplatz gegen die Unterschutzstellung teilgenommen. Heute sei diese nicht mehr wegzudenken, betont er.

Die einzigartige Landschaft, der Fluss sowie die angelegten Rad- und Wanderwege würden von Jahr zu Jahr mehr Gäste anlocken, so Ginther. Die Bettenkapazitäten hätten sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich erhöht und mittlerweile sei es notwendig, eine Besucherlenkung zu etablieren. Vor allem zu Brutzeiten müssten sensible Zonen besser vor Störungen von Mensch und Hund geschützt werden. In Elmen selbst wird deshalb auch ein Naturparkzentrum entstehen, das unter anderem als Basis für die seit heuer eingesetzten Naturparkranger dienen soll.
In vielen Bereichen einzigartig
Der Lech an sich, aber auch die Renaturierungsmaßnahmen sowie die Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung ist für die Wissenschaft höchst interessant. Zahlreiche Arbeiten und Publikationen gibt es mittlerweile über das einzigartige Flusssystem.

Mitte September waren Experten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum beim zweiten Lech-Symposium dabei. Man sah sich die jüngsten baulichen Maßnahmen am Lech an, sprach über die Entwicklung der Natur in den letzten Jahren und man kam auch zum Schluss, dass am Lech noch viel Potenzial schlummert – für Wissenschaft, Naturschutz und Tourismus.