Männerberatung – Mann mit Sorgen und Problemen sitzt im Gespräch mit Psychotherapeuten bei der Mannsbilder Beratung in Innsbruck
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Soziales

Volle Wartelisten in der Männerberatung

Das Thema Gewaltprävention ist österreichweit nicht zuletzt wegen mehrerer Morde an Frauen und Gewalttaten an Kindern in den Fokus gerückt. Die Männerberatungsstelle „Mannsbilder“ muss eine große Anzahl Tiroler Hilfesuchender derzeit aber vertrösten. Es gibt viel zu wenige Beratungsplätze, weil das Geld dafür fehlt.

Seit gut 25 Jahren berät der Verein „Mannsbilder“ Männer und Burschen ab zwölf Jahren bei Fragen, Problemen und Krisen. Beratungen finden etwa in der Innsbrucker Anichstraße statt, inzwischen gibt es auch Zweigstellen in Wörgl, Landeck, Lienz und Reutte. Alleine im Jahr 2020 konnte 322 Klienten in der Beratungsstelle geholfen werden, weitere 370 Männer nahmen die Telefonberatung in Anspruch. Insgesamt 2.500 Gespräche konnten so in Summe stattfinden.

Monatelange Warteliste

Durch die Pandemie sei der Bedarf an Unterstützung und Hilfe deutlich angestiegen, vor allem im Großraum Innsbruck, schilderte Leiter Martin Christandl. Derzeit warten dort 40 Männer auf einen Platz: „Innsbruck ist unser großes Sorgenkind. Wir rufen natürlich jeden zurück, fragen nach und sagen ihnen, dass wir hoffen, dass bald ein Platz frei wird. Wir schauen, dass sie nicht länger als zwei, drei Monate warten müssen und versuchen, diese Männer auch ein Stück weit zu betreuen. Gerade beim Thema Gewalt braucht es aber auch Plätze, um längerfristig mit den Männern zu arbeiten.“

Martin Christandl ist Psychologe, Psychotherapeut und Leiter der Männerberatung Mannsbilder
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Martin Christandl ist Psychologe, Psychotherapeut und Leiter der Männerberatung Mannsbilder

Alleine im letzten Jahr habe man durch die lange Wartezeit gut 70 Männer verloren, schätzte der Experte. Viele suchten nämlich gerade in einer akuten Krise den Kontakt. Dann sei es umso wichtiger, möglichst schnell, unbürokratisch und niederschwellig zu helfen. „Wenn sich jemand schon dazu durchringt, in Beratung zu gehen, Hilfe anzunehmen, dann ist er motiviert. Das ist die halbe Miete. Umso wichtiger ist dann das rasche Andocken, das Erstgespräch – und dass diese Männer auch zeitnah einen Termin bekommen.“

Geld für mehr Beratung fehlt

In Innsbruck müsste man das Angebot mindestens verdoppeln, schätzte Christandl. Ab September gäbe es die Möglichkeit, im Haus in Innsbruck ein zusätzliches Stockwerk für Beratungsplätze anzumieten, das Geld dafür fehlt aber. Es bräuchte 90.000 bis 100.000 Euro: „Damit könnten wir mehr Raum mieten und drei zusätzliche Teams aufstellen. Dann könnten wir Männer und Burschen von Montag bis Freitag von 8.00 bis 20.00 Uhr beraten – und die Warteliste wäre weg. Das wäre mein Traum.“

Derzeit bekommt der Verein Fördergelder von Bund, Land und den Gemeinden. Für die Männer ist die Beratung kostenfrei. Das zuständige Ministerium in Wien hat bereits im Frühjahr angekündigt, dass es mehr Geld für Einrichtungen geben soll, eine Auszahlung gab es aber noch nicht. „Unsere Sorge ist, ob dieses Geld dann auch nachhaltig ist. Das Land Tirol hat uns für heuer etwa eine Covid-Zusatz-Subvention ausbezahlt, wofür wir sehr dankbar sind, aber die Planungssicherheit fehlt. Was ist nächstes, was ist übernächstes Jahr“, schilderte der Leiter der Beratungsstelle das Dilemma.

Aufstockung noch nicht fix

2021 hat das Land Tirol die „Mannsbildern“ mit 139.100 Euro unterstützt. Für kommendes Jahr sei auf jeden Fall die gleiche Summe vorgesehen, man plane auch eine Aufstockung der Summe, hieß es aus dem Büro der zuständigen Grünen Landesrätin Gabriele Fischer. Die Budgetverhandlungen finden jedoch erst im Herbst statt. Einen Beschluss könne es daher frühestens im Oktober geben, so das Land.

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Die Öffnungszeiten der Beratungsstelle unterscheiden sich je nach Bezirk und sind online abrufbar.

Männerberatung Mannsbilder in Innsbruck
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Online-Beratung

Die Mannsbilder bieten jeden Donnerstag von 17.00 bis 19.00 Uhr auch eine Online-Beratung per Videotelefonie an. Weitere kurzfristige Termine sind nach Vereinbarung möglich. Anmeldung per Email.

Gewalt, Arbeit, Partnerschaft

Rund ein Drittel aller Anfragen bei den „Mannsbildern“ drehen sich um das Thema Gewalt. Die Anliegen der Burschen und Männer seien jedoch vielseitig, erklärte Christandl: „Das reicht von Problemen auf der Arbeit bis hin zur Partnerschaft. Bei Jugendlichen geht es oft um Schule, Mobbing oder die eigene sexuelle Identität. Es ist uns ganz wichtig, dass die Männer mit allen möglichen Fragen und Belastungen zu uns kommen können, die ihnen auf der Seele liegen“, betonte der Experte.

Die Klienten werden dann von anerkannten Familienberatern mit therapeutischer Ausbildung unterstützt: „Es gibt da keine Patentlösung. Wichtig ist, dass alle unsere Berater gelernt haben, gut zuzuhören, mit den Männern zu reden und auf jeden einzelnen Mann und seine persönlichen Themen einzugehen und mit ihm gemeinsam Wege zu finden, die ihm helfen.“

Gefühle wieder spüren lernen

In der Männerberatung wird viel Augenmerk darauf gelegt, was die Männer bewegt, wie Martin Christandl erläuterte. Es gehe darum, eine Sprache zu finden: „Fühle ich Angst, Wut oder Zorn? Und was macht mich denn so wütend oder auch traurig? Das ist für viele Männer ein Aha-Erlebnis. Sie erkennen plötzlich Zusammenhänge und lernen sich dadurch dann auch selbst besser kennen und spüren.“

Erst durch diesen Schritt würden Probleme lösbar: „Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Männer fühlen können, was auch im Gegenüber los ist und dass sie auf Gewalt verzichten. Wenn Männer verstummen und wortlos sind, werden sie gefährlich. Wenn ich aber eine Sprache gefunden habe, mich ausdrücken und streiten kann, dann muss ich nicht zuschlagen. Aber das ist uns nicht angeboren und das ist leider kein Schulfach. Das muss man lernen und wir helfen dabei.“