Eine afrikanische (links) und eine europäische Biene auf einer Honigwabe.
Scott Bauer, USDA Agricultural Research Service
Scott Bauer, USDA Agricultural Research Service
Wissenschaft

Forschung: Wann Bienen stechen oder nicht

Forscher der Universitäten Innsbruck und Konstanz haben entdeckt, wie Honigbienen ihre gemeinsame Verteidigung gegen Fressfeinde organisieren. Bienen stechen nur, solange es notwendig ist.

An der interdisziplinären Studie zum kollektiven Verhalten von Bienen waren Forschende des Biologieinstituts in Konstanz sowie des Instituts für Theoretische Physik in Innsbruck beteiligt. Mithilfe künstlicher Intelligenz wurde untersucht, wann Bienen bei der gemeinsamen Verteidigung gegen einen Feind aufhören zu stechen und warum.

Bienen koordinieren sich mit Botenstoffen

Fühlen sich Bienen bedroht, starten sie einen koordinierten Gegenangriff. Dabei informiert ein Geruchsstoff, den die Tiere am Stachel tragen, über die Anwesenheit eines Angreifers und das Ausmaß des Gegenangriffs. Je mehr Bienen den Eindringling gestochen haben, desto höher ist die Konzentration dieses Alarmpheromons. Ab einem gewissen Niveau nimmt die Aggressivität der Tiere aber wieder ab, berichten Innsbrucker Physiker und Konstanzer Biologen im Fachjournal „BMC Biology“.

Versuchen Bären, Honigdachse oder auch der Mensch, sich Honig zu holen, verteidigen sich Honigbienen gemeinsam gegen solche Angriffe. Sie verwenden dazu ein Pheromon, das Bienen in der Nähe warnt, zum Ort der Bedrohung leitet und sie dazu bringt, den Angreifer in Massen zu stechen. Dieses Alarmpheromon mit seinem bei Imkern bekannten, an Bananen erinnernden Duft ist eine chemisch komplexe Mischung aus über 40 Verbindungen. Weil das Pheromon beim Stechen freigesetzt wird, nimmt seine Konzentration im Verlauf eines Angriffs stetig zu.

Honigbienen beim Arbeiten
ORF
Fühlen sich Bienen bedroht, starten sie einen koordinierte Gegenangriff.

Bienen vermeiden unnötige Opfer

In Experimenten mit Westlichen Honigbienen wiesen Andrea López-Incera vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und die Biologin Morgane Nouvian von der Universität Konstanz erstmals eine abnehmende Aggressivität bei hohen Pheromonkonzentrationen nach. „Eine mögliche Funktion dieses Stoppeffekts hoher Konzentrationen des Alarmpheromons könnte darin bestehen, das Überstechen bereits besiegter Eindringlinge und damit unnötige Opfer unter den Arbeiterinnen zu vermeiden“, so Nouvian in einer Aussendung der Uni Innsbruck am Dienstag.

In dem interdisziplinären Projekt führten die Wissenschafter aber nicht nur Experimente durch. Um die Evolution solcher und anderer kollektiver Verhaltensweisen besser zu verstehen, verwendeten sie auch ein Modell, das ursprünglich vom Quantenphysiker Hans Briegel und seinen Kollegen an der Universität Innsbruck entwickelt wurde. Sie konnten damit das Verhalten von Individuen, des Kollektivs und auch die Reaktion auf verschiedene Räuber detailliert modellieren. „Wir waren damit in der Lage, die wichtigsten Selektionsdrücke zu identifizieren, die das experimentell beobachtete Reaktionsmuster geformt haben“, schreiben die Forscherinnen in ihrer Arbeit.

Verteidigung wird angepasst

Die Simulationen legten nahe, dass sich die Bienenvölker an den stärksten Räuber anpassen, dem sie begegnen. Sind also Bienenvölker vor allem mit schwachen Räubern wie Mäusen oder Kröten konfrontiert, stechen sie nach Angaben der Forscher bei hohen Pheromonkonzentrationen seltener als Völker, die häufiger auf schwer abzuschreckende Räuber wie Bären treffen.

Die Forscher wandten ihr Modell auch auf die sogenannten „Killerbienen“ an. Diese berüchtigte „Afrikanisierte Biene“, eine Unterart der Westlichen Honigbiene, soll Vermutungen zufolge ihr hochaggressives Verhalten als Reaktion auf höhere Angriffsraten und hochspezialisierte, schwer abzuschreckende Raubtiere wie den Honigdachs entwickelt haben. Die Simulation zeigte, dass Bienen, die vielen Angriffen und robusten Räubern ausgesetzt sind, tatsächlich stärkere Verteidigungsreaktionen entwickeln als solche, bei denen dies nicht der Fall ist. Diese Modellergebnisse wollen die Wissenschafter nun mit empirische Daten von echten Bienen verifizieren.