Maus blickt zwischen Steinen hervor
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Wissenschaft

Spermidin lässt alte Mäuse besser lernen

Die natürliche Substanz Spermidin kann die Gedächtnisleistung verbessern. Dies war bei alten Mäusen und Fliegen, die damit gefüttert werden, der Fall, wie zwei Studien unter Mitarbeit der Medizinischen Universität Innsbruck belegen.

Spermidin kommt in hohen Konzentrationen in Nahrungsmitteln wie Weizenkeimen, Brokkoli, Grapefruits, Birnen und Sojabohnen vor. Das natürliche Polyamin findet sich in allen menschlichen Körperzellen – unter anderem reichlich im Sperma, wo es erstmals gefunden wurde. Die Menge von Spermidin im Körper erhöht sich bei einer Beschleunigung des Stoffwechsels. Bei verlangsamtem Stoffwechsel und im Alter nimmt die Konzentration ab.

Spermidin verlängert Lebensdauer in einfachen Organismen

Vor mehr als einem Jahrzehnt fanden Wissenschafter rund um den an der Universität Graz tätigen Molekularbiologen Frank Madeo heraus, dass die körpereigene Substanz den zellulären Reinigungsprozess – die sogenannte Autophagie – ankurbelt. Wenn es darum geht, älter zu werden und trotzdem gesund zu bleiben, ist dieser Mechanismus des Zellrecyclings ein grundlegender Prozess.

In Labortests sahen die Forscher damals, dass die Gabe von Spermidin die Lebensdauer in einfachen Organismen wie Hefe, Fruchtfliegen und Fadenwürmern verlängert.

Maus
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Die Gabe von Spermidin verbessert die Gedächtnisleitung bei Mäusen

Nahrung mit Spermidin fördert Gedächtnisleistung

Nun stellten die Grazer Forscher gemeinsam mit Kollegen aus Berlin und Innsbruck fest, dass Mäuse und Fliegen auch bessere kognitive Leistungen zeigen, wenn sie mit Spermidin-angereicherter Nahrung gefüttert wurden.

Es habe sich gezeigt, dass das die verabreichte Substanz zu einer verbesserten Funktionsweise der Mitochondrien im Hirn führt. Diese Zellkraftwerke sind für die Energieversorgung zuständig. Durch den hohen Energieverbrauch der Nervenzellen sind Mitochondrien im Hirn besonders wichtig – funktionieren sie besser, kann das zu einer gesteigerten Gedächtnisleistung beitragen.

Unter Futter und in Trinkwasser der Tiere gemischt

Konkret mischten die Forscher die Substanz in das Futter und Trinkwasser der Tiere: „So konnte gezeigt werden, dass oral verabreichtes Spermidin das Gehirn von Mäusen erreicht und dass diese im Alter in verschiedenen Gedächtnistests besser abschneiden als Mäuse, die keine Extraportion Spermidin bekamen“, erklärte Andreas Zimmermann von der Uni Graz und Co-Erstautor der Studie.

Der Grazer Co-Erstautor Sebastian Hofer fügte hinzu: „Bereits in unseren vorangegangenen Arbeiten konnten wir darlegen, dass Spermidin-gefütterte Fliegen ein besseres Gedächtnis im Alter haben und dass dafür die Autophagie – der zelluläre Reinigungsprozess – notwendig ist. Hier wiederum zeigen wir, dass die Verbesserung der mitochondrialen Funktion durch Spermidin sehr wahrscheinlich ein weiterer, wesentlicher Faktor ist.“

Ergebnisse von Tieren auf Menschen umlegbar

Innsbrucker Forscher wollten wissen, wie sich die bisherigen Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen umlegen lassen und griffen bereits im Rahmen des Tiroler K-Projekts VASCage auf die Daten der prospektiven Bruneck-Studie zurück. Sie wählten aus einem Kollektiv aus 800 Teilnehmenden jene Personen aus, die 1995 kognitiv leistungsfähig waren und untersuchten ihre Verläufe hinsichtlich Gedächtnis, Exekutivleistungen (Planen) und Sprachkompetenz. Gleichzeitig wurden ihre Essensgewohnheiten abgefragt.

Das Ergebnis der Studie, die unter der Federführung der Medizin Uni Innsbruck mit der Universität Innsbruck und dem Südtiroler Krankenhaus Bruneck sowie mit Forschern in Graz, London und Paris bereits 2018 abgeschlossenen wurde: Teilnehmende, die 1995 mehr Spermidin aufgenommen hatten, zeigten über die folgenden fünf Jahre deutlich weniger kognitive Einbußen.

Stefan Kiechl
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Stefan Kiechl konnte in der Studie einen Zusammenhang von kognitiven Leistungen und Spermidin belegen

„Diese Beobachtung belegt einen Zusammenhang, der in naher Zukunft auch mit einer Interventionsstudie bestätigt werden sollte, zumal es im kognitiven Bereich sehr wenige Möglichkeiten einer positiven Beeinflussung gibt“, kommentierte der Innsbrucker Neurologe Stefan Kiechl von der Medizin Uni Innsbruck.