Menschen in der Innsbrucker Rathauspassage
Hermann Hammer
Hermann Hammer
Wissenschaft

Verschwörungstheorien verändern Verhalten

Dass Verschwörungstheorien das Verhalten von Menschen ändern, haben Wissenschafter der Universität Innsbruck in einem Verhaltensexperiment belegt. Dabei habe es keinen Einfluss darauf, ob die Menschen an die Verschwörungstheorien glauben oder nicht.

Bereits seit Jahren erleben Verschwörungstheorien einen regelrechten Boom – sie zu ignorieren, ist kaum mehr möglich. Wie frühere Studien belegen, hat der Glaube an Verschwörungstheorien einen Einfluss auf das Verhalten ihrer Anhänger. So führen sie beispielsweise zu einer geringeren Wahlbeteiligung oder einer niedrigeren Bereitschaft, sich impfen zu lassen.

Einfluss der Verschwörungstheorie auf Verhalten

Ein Forschungsteam rund um den Verhaltensökonomen Loukas Balafoutas, Professor für Experimentelle Ökonomik am Institut für Finanzwissenschaft der Uni Innsbruck ist, wollte in einem Laborexperiment der Frage nachgehen, ob Verschwörungstheorien auch einen Einfluss auf die Menschen haben, wenn sie gar nicht an sie glauben und nur kurz mit ihnen konfrontiert sind.

Wie sich gezeigt habe, hätten Studienteilnehmer, die für lediglich drei Minuten einer Verschwörungstheorie ausgesetzt waren, in einem nachfolgenden Verhaltensexperiment anders gehandelt als Teilnehmer aus der Kontrollgruppe, berichtet Loukas Balafoutas. Diese Ergebnisse konnten die Forscher kürzlich im Magazin „Economic and Political Studies“ veröffentlichen.

Experiment wurde noch vor der Pandemie durchgeführt

Im „EconLab“ der Universität Innsbruck führten die Forscher ihr Experiment noch vor der Pandemie durch. Dabei zeigten sie einer Hälfte der insgesamt 144 Studienteilnehmer ein dreiminütiges Video, in dem die Mondlandung von 1969 als Fälschung dargestellt wird. Die Kontrollgruppe sah hingegen ein ebenso langes Video über das Space Shuttle Programm.

Loukas Balafoutas in einem Büro
Axel Springer
Loukas Balafoutas ist Professor für Experimentelle Ökonomik am Institut für Finanzwissenschaft

Im Anschluss nahmen die Studienteilnehmer am „money request game“ teil. Dazu wurden die Spieler in Paare aufgeteilt und gebeten, gleichzeitig ein ganzzahliges Gebot zwischen fünf und 14 Euro abzugeben. Wer das kleinere Gebot abgab, erhielt den Betrag dieses Gebots plus zehn Euro. Wer das größere Gebot machte, erhielt lediglich den Betrag des Gebots. Im Falle eines Gleichstandes erhielten beide Teilnehmer genau ihr Gebot. Die beste Antwort auf ein Gebot des anderen Teilnehmers, das größer als fünf Euro ist, ist in diesem Spiel, genau einen Euro weniger zu bieten.

Teilnehmer der Kontrollgruppe handeln anders

„Bei diesem Experiment konnten wir feststellen, dass Personen, die zuvor das Video der Verschwörungstheorie gesehen haben, kleinere Beträge geboten haben“, erklärt Balafoutas. Das zeige, dass diese Probanden strategischer handeln würden. „Das kann zwar einerseits unter Umständen zu einem höheren Gewinn im Spiel führen, gleichzeitig birgt diese Vorgangsweise aber auch die Gefahr, einen Verlust einzufahren.“

Es gehe nicht darum, dieses Verhalten als besser oder schlechter zu bewerten, sondern lediglich darum, zu zeigen, dass Personen, die kurz zuvor einer Verschwörungstheorie ausgesetzt waren, in einer nachfolgenden und inhaltlich völlig anderen Situation ein anderes Verhalten an den Tag legen würden als die Kontrollgruppe. „Daraus schließen wir, dass die Verschwörungstheorie einen Einfluss darauf hat, wie jemand die Welt und die Menschen wahrnimmt“, so Balafoutas weiter.

Vertrauen in Personen bleibt bestehen

In einem weiteren Experiment, dem „trust game“, überprüften die Forscher, inwiefern die Auseinandersetzung mit einer Verschwörungstheorie zu einer Beeinträchtigung des Vertrauens gegenüber anderen Menschen führt.

Bei diesem Spiel wurden die Spieler in Paare aufgeteilt. In jedem Paar erhielten beide Spieler fünf Euro. Einer der Spieler (A) konnte entscheiden, einen Teil oder den Betrag vollständig zu investieren. Der investierte Betrag wurde verdreifacht und an den anderen Spieler (B) weitergegeben, der dann einen Teil des Geldes an Spieler A zurücküberweisen konnte – aber nicht musste. Größere investierte Beträge von A in diesem Spiel entsprechen einem höheren Vertrauensniveau.

„Gesellschaft braucht gewisses Maß an Vertrauen“

"Es ist eine durchaus positive Botschaft, dass wir hier keinen negativen Einfluss der Verschwörungstheorie feststellen konnten. Das Vertrauen in das Gegenüber war in beiden Gruppen statistisch gesehen gleich. Das ist wichtig, denn in unserer Gesellschaft brauchen wir ein gewisses Maß an Vertrauen, damit sie überhaupt funktioniert“, sagt Balafoutas.

Dass die Wissenschaftler Verschwörungstheorien im Labor untersuchten, begründeten sie damit, dass sie als Forscher nicht dazu beitragen wollen, Verschwörungstheorien in die Gesellschaft zu tragen. Daher sei bei solchen Studien immer Vorsicht geboten. „Sie müssen ethisch vertretbar durchgeführt und vorab auch genehmigt werden. Besonders die Aufklärung der Proband*innen nach einem solchen Experiment ist sehr wichtig“, erklärt Loukas Balafoutas.