Zelt im Winter mit Ski
Clemens Koller
Clemens Koller
Lifestyle

Weihnachtsferien im Zeltlager

Hotels, Bäder, Wellnesseinrichtungen sind geschlossen. Na und? Vor genau 50 Jahren haben die Innsbrucker Pfadfinder ihr erstes Winterzeltlager veranstaltet, auf 2.000 Metern Seehöhe. Zwei ehemalige „Pfaderer“ erinnern sich an bärige Weihnachtsferien auf die harte Tour.

Zehn Burschen hocken um ein Lagerfeuer und halten ihre Bergschuhe an Stöcken über die Flammen. Sind die armen Buben schon so hungrig, dass sie ihre Lederschuhe grillen? Helmut Paolazzi, damals mit zwölf Jahren der Jüngste, lacht: „Aufgetaut haben wir sie! Nach der Nacht waren sie so bockhart, dass wir anders nicht mehr hineingekommen wären.“ Die Lehre Nummer eins aus dem ersten Winterzeltlager der Pfadfinder lautete also: die Schuhe nachts immer mit in den Schlafsack nehmen.

Zelt im Winter schwarz-weiß
Clemens Koller
Winterzeltlager 1970: Wer jammert, wird ausgelacht

Die Burschen haben viel gelernt in diesen Wochen im Schnee, vor allem, wie wichtig die Gemeinschaft ist. „Es ging darum, die Kälte zu bezwingen. Das war unser Antrieb“, sagt Clemens Koller, der damals mit seinen achtzehn Jahren zu den Ältesten gehört hat. „Allein hätte das keiner überlebt, aber gemeinsam war es eine Hetz. Wenn einer gejammert hat, haben drei andere gelacht.“

„Es war kalt, nass, dunkel – herrlich!“

In den Weihnachtsferien 1970 hat die Explorergruppe der Pfadfinder Innsbruck, also die Burschen zwischen 13 und 16 Jahren, das erste Winterzeltlager veranstaltet, im Hochtal der Fotsch, oberhalb der Waldgrenze, am Weg zum sogenannten Schafleger. Eine Woche in der freien Natur auf 2.000 Metern Seerhöhe.

„Es war kalt, es war nass, es war unfreundlich“, fasst Helmut Paolazzi seine ersten Eindrücke zusammen. „Aber wir haben den Schnee an den Zeltplätzen weggekratzt, haben uns eingerichtet, und nach ein paar Stunden ist es schon recht gut gegangen. Es war herrlich!“

Zwei Männer mit strohgefülltem Stiefel
Clemens Koller
Allzeit bereit: Helmut Paolazzi und Clemens Koller mit original Strohmoonboot

Moonboots mit Strohfüllung

Um einigermaßen trocken zu schlafen, haben die Explorer Stohballen am Zeltboden ausgelegt. Um die Füße warm zu halten, haben sie Moonboots entworfen, aus Rupfensäcken oder alten Zeltplanen zusammengenäht und mit Stroh ausgestopft. Problematischer war da schon die Verpflegung. „Wir sind gleich draufgekommen, dass Brot da oben friert“, erinnert sich Clemens Koller. „Also haben wir ein Spezialgericht kreiert: Zuerst schlägst du mit der Axt ein Stück Fett herunter, das lässt du in der Pfanne warm werden, gibst Haferflocken und Rosinen dazu, einen Esslöffel Instantkakao drüber, und fertig ist das Bergsteigerfrühstück.“ Obs schmeckt? – „Du musst dir die Mütze tief herunterziehen, sonst staubts dir bei den Ohren heraus“, lacht Koller.

Essen ums offene Feuer
Clemens Koller
Winterlager in den Achtzigerjahren. Aus dem Pfandl schmeckts am besten.

Kein einziger Kranker

Die Abendmahlzeiten wurden zuhause vorgekocht und tiefgefroren. „Da hast du zum Beispiel einen Ziegel Pasta asciutta gehabt, den hast du an einem Baum aufgehängt, der Wald war ja eine lebende Tiefkühltruhe. Wer Hunger hatte, hat sich ein Stück heruntergehackt und im Topf aufgetaut.“

Zwischen den Mahlzeiten haben die Pfadfinder Schitouren unternommen, haben Sprungschanzen oder Iglus gebaut. Fünfzehn Jahre lang gehörten die Winterzeltlager, ob in der Fotsch oder im Obernbergtal, zu den abenteuerlichsten Bewährungsproben der Tiroler Pfadfinder. Wie viele dabei krank geworden sind? – „Kein einziger!“, sagt Clemens Koller. „Und wenn einer leicht verkühlt hinaufgefahren ist, ist er pumperlgesund wieder heimgekommen. Das war einfach das Leben in der freien Natur.“

Bub nach Sturz im Tiefschnee, SW
Clemens Koller
Kein Beinbruch! Alle Teilnehmer haben sowohl Zelteln als auch Schifahren unverletzt überstanden

Ob er sich sowas heute noch zutraut? Der 68-jährige Koller überlegt kurz, dann grinst er. „Vielleicht, wenn wir nach Corona wieder einmal in einer gemütlichen Runde zusammenkommen, machen wir aus: du, komm, gehen wir doch noch einmal!“
Der sechs Jahre jüngere Helmut Paolazzi schaut seinen ehemaligen Gruppenführer etwas beunruhigt an. Wer weiß, was da noch auf ihn zukommt.