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Bildung

Handwerkerlehre im Distance-Unterricht

Mit dem Lockdown sind auch die Tiroler Lehrlinge beziehungsweise Berufsschülerinnen und Berufsschüler ins Distance-Learning gewechselt. Es gibt nur wenige Ausnahmen – aber viele Herausforderungen.

Das Distance-Learning trifft Lehrlinge besonders hart, vor allem im Gewerbe und in Handwerksberufen, schilderte der Lehrlingskoordinator der Tiroler Wirtschaftskammer, David Narr. Gerade in den letzten Jahren sei die Anzahl der Labor- und Werkstättenstunden für solche Ausbildungen eigentlich deutlich aufgestockt worden, da dieser fachpraktische Unterricht besonders wichtig sei.

„In gewerblichen Berufen kann Distance-Learning nicht funktionieren. Wie soll man Installateuren, Köchen oder Maurern die praktische Arbeit über den Computer vermitteln? Ein Tischler kann im Distance-Learning nicht lernen, wie ein Schwalbenschnitt funktioniert“, zeigte sich Narr überzeugt. Diese Lehrlinge sollten daher unbedingt Präsenzunterricht erhalten, forderte der Lehrlingskoordinator.

Drei Viertel müssen zu Hause bleiben

Das Bildungsministerium gestattet diesen Präsenzunterricht in Werkstätten und Laboren aber nur 25 Prozent aller Berufsschülerinnen und Berufsschüler, die sich normalerweise an einem Schulstandort befinden: „Bei 250 Schülern dürften also nur gut 60 an die Schule zurückkommen“, rechnete Narr vor. Man konzentriere sich deshalb vor allem auf Abschlussklassen und Klassen des ersten Lehrjahres. „Bei großen Schülerzahlen kommt aber dann nicht jeder Lehrling in diesen Genuss“, so Narr.

Drei Viertel der Lehrlinge säßen also weiterhin daheim. Die Tiroler Wirtschaftskammer setze sich daher dafür ein, dass in Zukunft zumindest die Hälfte der Schüler in die Werkstätten darf. Noch ist das aber nicht erlaubt. „Unsere große Forderung ist aber natürlich, dass wirklich alle Lehrlinge an einem Werkstätten- und Labor-Präsenzunterricht teilnehmen können“, erklärte der Koordinator.

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Nicht alle Lehrlinge dürfen derzeit am Präsenzunterricht in den Werkstätten teilnehmen

Lehranfänger dürfen schnuppern

Schwierig sei die Situation auch für Lehranfänger. Lehrlinge im ersten Lehrjahr hätten bereits im Frühjahr nicht an die Schulen kommen dürfen, jetzt sei diese Situation erneut eingetreten: „Gemeinsam mit dem Landesschulrat und dem Land Tirol haben wir jetzt eine Regelung gefunden, dass Lehranfänger zumindest in Kleingruppen kurz an die Schule kommen dürfen, sich orientieren, die Umgebung und ihre Lehrer kennenlernen können“, so Narr. Den fehlenden Präsenzunterricht ersetze dieser Schnupperbesuch freilich nicht.

Lehrlinge tun sich schwerer mit Digitalisierung

Generell täten sich Lehrlinge mit dem Distance-Learning schwerer als andere Schüler, befürchtete der Lehrlingskoordinator. Es scheitere dabei nicht an der digitalen Ausstattung der Schulen: „Viele zukünftige Handwerker sind einfach nicht so computeraffin. Deshalb lernen sie ja ein Handwerk. Auch im Jahr 2020 darf man außerdem nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass jedes Kind einen eigenen Computer und eine gute WLAN-Verbindung hat und das auch noch gerne macht“, gab Narr zu bedenken.

Er habe viel mit Direktoren der Tiroler Fachberufsschulen telefoniert. Viele hätten erzählt, dass Lehrlinge die Distanzlehre auf Papier mitschrieben, anschließend ein Foto mit dem Handy machten und dieses per WhatsApp an die Schule schickten. Es deute also viel darauf hin, dass nicht alle Lehrlinge Zugang zu einem eigenen PC hätten, so Narr. Welche Auswirkungen der Lockdown tatsächlich auf die Tiroler Lehrlinge haben wird, wird sich wohl erst weisen.