Ausstellung im Weißraum
Michelle Schmollgruber
Michelle Schmollgruber
Kultur

Weiblichkeit im Design zelebrieren

In der Ausstellung „Wir haben schon wieder etwas angerichtet“ zeigt das Innsbrucker Duo „Weiberwirtschaft“ Arbeiten der letzten zwanzig Jahre. Die beiden Gestalterinnen Heidi Sutterlüty-Kathan und Beatrix Rettenbacher hinterfragen lustvoll Klischees, stellen die Weiblichkeit ins Zentrum und können dabei auch über sich selbst lachen.

Die „Weiberwirtschaft“ steht für hintergründigen Humor und Wortwitz. Unterschiedliche Textilien von T-Shirts über Polsterbezüge bis zu Unterhosen werden mit vieldeutigen Sprüchen bedruckt, wie „Die Zukunft ist weiblich“ oder „Pro-Aging“.

Sujet Weiberwirtschaft
Weiberwirtschaft
Mit pointierten Texten wurde die Weiberwirtschaft in Tirol bekannt

Politisches Design

Im Tiroler Designforum Weissraum in Innsbruck haben Heidi Sutterlüty – Kathan und Beatrix Rettenbacher nun in einer Ausstellung „schon wieder etwas angerichtet.“ Auch diese Formulierung ist doppeldeutig zu verstehen. In Tirol würde es zu brav zugehen, bedauert Sutterlüty-Kathan. „Wir versuchen aufzurütteln, auch wenn wir die Welt nicht verändern können. Frauen sollten sich im Heiligen Land einfach mehr trauen, und öfter etwas anrichten.“

Ausstellung Weißraum
ORF
Die Aussagen der Designerinnen sind kritisch, politisch und feministisch

Sinnlicher Genuss mit einer klaren Botschaft

Bei der Ausstellungseröffnung werden köstliche rosarote Marzipantörtchen in Busenform und Mutterkuchen aus Schokolade gereicht. Die Performance würde an das Tapp- und Tastkino von Valie Export erinnern, meint eine Besucherin. 1968 ließ die feministische Künstlerin ihre eigenen Brüste von Passanten begrapschen. Das Ziel der aufsehenerregenden Aktion war damals, den voyeuristischen Blick auf den Frauenkörper zu kritisieren.

Ausstellung Weißraum
Daniel Jarosch
Das Triptychon mit den zentralen Aussagen im Designforum Weissraum

An der Rückwand der Schau ist ein Mini-Altar installiert. „Kreieren statt Konsumieren“, lautet ihr Credo. Sie setzen auf die Verbindung von Form und Inhalt. Ihre Botschaften sticken sie erst eigenhändig mit rotem Faden auf weißes Papier und bearbeiten sie anschließend am Computer. Durch das Wechselspiel zwischen der als traditionell weiblich abgestempelten Handarbeit und der Digitalisierung wird die Aussage verstärkt.

Heidi Sutterlüty – Kathan
ORF
Form und Inhalt sind eins: Heidi Sutterlüty-Kathan setzt bewusst auf die als weiblich abgestemptelte Technik des Stickens

Im Zentrum ihrer Inszenierung in der aktuellen Schau platzieren sie eine gestickte Vagina. „Dadurch fühlen wir uns als Weiberwirtschaft repräsentiert“, erläutert Rettenbacher, „weil die Vagina der Inbegriff von Weiblichkeit ist.“ Ihr Anspruch sei keineswegs missionarisch, doch im patriarchalisch geprägten Land Tirol würden Frauen auch heute noch anders betrachtet als Männer. Sie sehe es als eine ihrer Aufgaben, Frauen mehr Raum zu geben. Ob es darum ginge, Job und Familie unter einen Hut zu bringen oder um die schlechtere Bezahlung von Frauen.

Ausstellung Weißraum
Daniel Jarosch
Die Ausstellung wird mit einer amüsanten Performance eröffnet

„Relativ Jung“ durch „Pro Aging“

Die beiden Gestalterinnen agieren subtil und sparen nicht mit Selbstironie etwa beim Thema der Ewigen Jugend. „Ich achte darauf, dass ich beim Fotografieren im richtigen Licht sitze“, lacht Rettenbacher. Attraktiv zu altern habe eher etwas mit Glück zu tun, als mit Botox, fügt sie passend zum Aufdruck auf ihrem lila T-Shirt hinzu „Good Weibrations“.

T-Shirt Weiberwirtschaft
ORF
Das weibliche Selbstverständnis gespickt mit Ironie

Arthur Zelger Preis für gute Gestaltung

Vor kurzem wurde die Weiberwirtschaft mit dem 2020 erstmals in Tirol vergebenen „Arthur Zelger Preis für gute Gestaltung“ ausgezeichnet. Die Wiener Juryvorsitzende Anita Kern hob in ihrer Laudatio die Selbstironie als sympathische Art hervor, Kritik zu üben. Die Kritik an gesellschaftlichen Missständen, an Rollenklischees und jeglicher Begrenzung komme leichtfüßig und undogmatisch daher, so Kern.

Der nach dem Tiroler Designer Arthur Zelger benannte Preis ist mit 5000 Euro dotiert und soll alle zwei Jahre vergeben werden. Zelger zählt zu den bedeutendsten Grafikdesigner des 20. Jahrhunderts in Österreich. 1974 hat er das bekannte rote Tirol-Logo entworfen.

Heidi Sutterlüty Kathan, Beatrix Rettenbacher
Daniel Jarosch
Heidi Sutterlüty-Kathan und Beatrix Rettenbacher mit dem ersten Tiroler Arthur Zelger Preis

Ein ungleiches Paar

Kennengelernt haben sich die beiden Gestalterinnen in Wien. Vor zwanzig Jahren haben die Vorarlbergerin Sutterlüty – Kathan und die Salzburgerin Rettenbacher dann ihr gemeinsames Büro auf der Hungerburg hoch über Innsbruck gegründet. Ihre Arbeitsweise könnte unterschiedlicher nicht sein. „Heidi ist federführend in der Gestaltung“, beschreibt Rettenbacher die Arbeitsteilung, „ich bin mehr wild, kreativ und rühre gerne um. Ich fühle mich für den Text zuständig, Heidi bringt das Ganze dann in die richtige Form.“

Objekt Weiberwirtschaft
Weiberwirtschaft
Die Gestalterinnen wollen Denkgewohnheiten hinterfragen und unterhalten

Zu forsch für Tirol

Im Zuge der Neugestaltung des Tiroler Volkskunstmuseums wurde die Weiberwirtschaft 2009 damit beauftragt, einen Rosenkranz für den Museumsshop zu entwerfen. In Anlehnung an historische Exemplare, die mit individuellen Glücksbringern bestückt sind, hängten sie ein kleines rosa Glücksschweinderl an ihre Version. Das kam damals nicht gut an und ihre Kreation flog aus dem Sortiment. „Damals haben wir über die Stränge geschlagen“, erinnert sich Rettenbacher, „aber das hat uns gut unterhalten. Das Schwein war wohl für Tirol zu forsch, international gesehen keineswegs, aber wir sind eben in Tirol.“

Heidi Sutterlüty – Kathan
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Die Weiberwirtschaft stellt Fragen, auf die wir alle gerne eine Antwort hätten

Die Ausstellung ist bis zum 7. November zu sehen und wird durch ein Rahmenprogramm abgerundet. Bei einem Tischgespräch mit einer Politikwissenschafterin wird zum Beispiel die Frage gestellt: „Richten Frauen in Tirol zu wenig an?“