INTERVIEW: REINHOLD MESSNER
APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Leute

Messner: Vor 40 Jahren allein am Everest

Vor 40 Jahren hat der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner den Mount Everest im Alleingang und ohne zusätzlichen Sauerstoff erreicht. Demnächst will der 75-Jährige seine „Final Expedition“ rund um die Welt starten und für sein Verständnis von Alpinismus werben.

Am 20. August 1980 erreichte Reinhold Messner im Alleingang den 8848 Meter hohen Gipfel des Mount Everest, nachdem er ihn zwei Jahre zuvor mit dem Tiroler Peter Habeler ohne zusätzlichen Sauerstoff bezwungen hatte. Ärzte hatten zuvor gewarnte, ein Mensch könne in dieser Höhe ohne zusätzlichen Sauerstoff nicht überleben, auch Bergsteigerkollegen räumten dem Plan wenig Aussicht auf Erfolg ein.

Messner selbst sagt, die Erfahrungen mit Habeler sowie allein am Nanga Parbat hätten ihn bestärkt für den Solo-Gang am Everest: „Das kann ich auch allein machen.“ Ein schönes und romantisches Bergerlebnis sei eine Achttausenderbesteigung allerdings keineswegs. „Es ist sehr anstrengend, es ist kalt, im obersten Teil ist das ein einziges Hecheln, die kalte Luft fährt einem in die Lunge.“

Gefährlicher Zwischenfall beim Aufstieg

Auf dem Weg zum Everest rutschte Messner in eine Gletscherspalte – alleine und ungesichert. In der scheinbar ausweglosen Situation und Dunkelheit der Spalte wurde für ihn klar: „Wenn ich da rauskomme, lass ich es.“ Er konnte sich tatsächlich befreien und stieg doch weiter.

Oben angekommen – „ich war unendlich müde“ – gab es neue Sorgen: Der Monsun trieb Nebel herauf. „Ich hatte Angst, wenn es anfängt zu schneien, dann finde ich nicht mehr hinunter – ich war ja auf meine Spur angewiesen.“ In den riesigen weißen Flächen ist im Nebel Orientierung unmöglich. Halb laufend, halb rutschend erreichte er niedrigere Lagen – der Nebel lichtete sich. „Ich hatte wirklich großes Glück.“

Mounte Everest
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Nebel machte den Abstieg vom Everest zusätzlich spannend

Für Messner nicht der wichtigste Jahrestag

Messner nannte die Alleinbesteigung zwar das „i-Tüpfchen“ auf sein Bergsteigen, ein anderer Jahrestag sei ihm jedoch wichtiger: Vor 50 Jahren, im Juni 1970, bestieg er mit seinem Bruder Günther über die Rupalwand als höchste Steilwand der Welt, den Nanga Parbat. Beim Abstieg kam sein Bruder ums Leben.

„1970 ist die Schlüsselzahl meines Lebens“, sagt Messner. „50 Jahre Nanga Parbat ist um ein Vielfaches wichtiger als 40 Jahre Mount Everest.“ Das gelte auch bergsteigerisch. „Mit diesem Jahr beginnt eine neue Phase des Himalaya-Bergsteigens.“

Nanga Parbat spiegelt sich in einem See
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Der Nanga Parbat hat in Messners Leben eine Schlüsselposition

Neuer Expeditionsstil

Mit extrem wenig Ausrüstung und ohne aufwendige Lager wie sonst bei den damaligen Expeditionen prägte er in den folgenden Jahren einen völlig neuen Stil des Höhenbergsteigens mit. Rund 60 Kilo Gepäck hatte er etwa am Everest dabei – acht Tonnen schwer sei hingegen die Ausrüstung der Expedition zehn Jahre zuvor am Nanga Parbat gewesen.

Am Nanga Parbat – seinem erster Achttausender – habe er mit den Grundstein gelegt für den späteren Alleingang am Mount Everest, sagt Messner. Weil seine Zehen erfroren, stieg er damals vom Klettern um auf das Höhenbergsteigen. 1978 bestieg er den Nanga Parbat im Alleingang. „Das hat mir gezeigt, dass ich psychologisch in der Lage bin, mit mir selber zurecht zu kommen.“ Allein am Berg trage man auch allein die Verantwortung – und Ängste blieben ungeteilt.

Appell zum Respekt für die Berge

Mit 75 Jahren bereitet Messner nun sein Erbe: Mit einer „Final Expedition“ um die Welt will er bei Auftritten sein Verständnis vom Bergsteigen und seinen Appell zum Respekt für die Berge weitergeben. „Ich bin nicht der Einzige, der es kann – aber ich bin einer der derjenigen, die überlebt haben.“ Deshalb sieht er sich verpflichtet, für den traditionellen Alpinismus zu kämpfen. Bei Auftritten mit Festivalcharakter wolle er seine Haltung vortragen und diskutieren, sagte Messner der Deutschen Presse-Agentur.

Reinhold Messner
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Messner will für seine Auffassung des Alpinismus werben

Gegen Inszenierung und Banalisierung

Messner hatte sich stets gegen eine massive Erschließung der Berge ausgesprochen. „Das traditionelle Bergsteigen ist und bleibt gefährlich.“ Ohne Gefahr gebe es kein Abenteuer. Stattdessen aber würden die Berge durch immer mehr Erschließung oder gar Funparks präpariert, inszeniert und banalisiert. „Das ist genau das, was wir nicht tun sollten“, sagt Messner. „Die Berge verlieren damit ihre Ausstrahlung.“ Erschließen oder bewahren – „diese Auseinandersetzung ist weiter zu führen.“ Schnell werde ein Foto geknipst – „das ist dann die Erinnerung, die bleibt.“ Der Trend im Bergsport gehe hin zum abgesicherten und risikoarmen Massensport. „Die traditionellen Bergsteiger werden weniger – aber sie sind viel besser als wir früher.“

Wann er zu der „Final Expedition“ starten könne, sei wegen des Coronavirus offen – jedenfalls „sobald wie möglich“. „Sonst schaffe ich es nicht mehr.“ Hätte nicht das Virus die Pläne durchkreuzt, wäre er jetzt in Australien. „Diese letzte Expedition wird mich um die ganze Welt führen. Das wird mich beschäftigen bis in die letzten Züge.“

STÖCKL.

Im Sommer wiederholt der ORF besondere Highlight-Sendungen des Nighttalks „Stöckl.“, wie diese mit Extrembergsteiger und Abenteurer Reinhold Messner, der auf Mediziner und Theologe Johannes Huber trifft.