viele Weinbergschnecken auf einem Brett
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Wirtschaft

Schneckenfarm produziert Future Food

Immer öfter suchen Konsumenten Lebensmittel mit kleinem CO2-Fußabdruck. Schnecken erfüllen diese Forderung – und viele andere mehr. Sie sind eine Alternative zu industriellen Fleischprodukten, die Akzeptanz der Kunden wächst. In Ellmau gibt es Tirols erste Schneckenfarm.

Die Farm der Kaiserschnecke gibt es seit rund eineinhalb Jahren. Aktuell wachsen dort im Freiluftgehege geschätzte 30.000 Weinbergschnecken, in einem eigenen Häuschen befindet sich der Nachwuchs, weitere geschätzte 100.000 junge, sehr kleine Schnecken. Die Betreiberin, Simone Embacher, füttert den Tieren Gemüsereste aus der Gastronomie und zerstoßene Eierschalen als zusätzlichen Kalk. Geerntet wird zwei Mal im Jahr. Den Winter verbringen die Weinbergschnecken im Winterschlaf.

viele Weinbergschnecken auf einem Brett
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Die Schnecken suchen den Schatten unter den Holzpritschen.

Ist die Schnecke das Fleisch der Zukunft?

Embacher, die die Schneckenfarm mit einem Geschäftspartner vor rund eineinhalb Jahren begonnen hat, war vor allem vom Gedanken der Nachhaltigkeit dieser Form der Lebensmittelproduktion motiviert. Weinbergschnecken benötigen wenig landwirtschaftliche Fläche, wenig Wasser, kein eigenes Futter, es entsteht auch keine treibhausgasproduzierende Gülle. Bei der Produktion von einem Kilo Schnecken werde um 85 Prozent weniger Ressourcen benötigt als bei der Produktion eines Kilos Rindfleisch.

Future Food mit Anfängen im Mittelalter

Die Schnecke als proteinlieferndes Nahrungsmittel hat in Europa, auch in Tirol, eine lange Tradition. In den Klöstern wurde sie als „nicht Fisch, nicht Fleisch“ definiert und zur bevorzugten Fastenspeise. Im 17. Und 18. Jahrhundert gab es in Wien Schneckenmärkte, bis zum Ersten Weltkrieg galt sie als Arme-Leute-Essen. Das Schneckensammeln in den Wäldern führte dazu, dass die Weinbergschnecke, die mit drei Jahren bis zur Geschlechtsreife einen sehr langsames Wachstum hat, vom Aussterben bedroht und unter Naturschutz stehen.

Nachwuchs von Weinbergschnecken auf einem Holzbrett
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Tausende heuer im Frühjahr geschlüpfte Schnecken in einer Hütte auf der Schneckenfarm.

Pionierin in experimentierfreudiger Branche

Simone Embachers Zielgruppe ist die Gastronomie. Derzeit werden Restaurants bis nach Salzburg mit den Weinbergschnecken beliefert. Für die Ernte braucht es Hilfe aus Familie und Nachbarschaft, Tötung und Verarbeitung erfolgen in einer Profiküche, danach werden die Schnecken tiefgekühlt. „Die Zeit ist reif für alternative Lebensmittel“, so Embacher, die diesem Trend auch auf vielen Food-Messen begegnet ist. Neben Algen und Insekten kosten Konsumenten gerne auch Schnecken als bewusste Entscheidung gegen die Klimakrise.

Schnecken mit Salatblättern auf einem nassen Brett
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Schnecken benötigen wenig Fläche, wenig Wasser, wenig Futter. Gülle mit Treibhausgasen gibt es bei der Haltung nicht.

Viel Arbeit auch im Herbst

Geerntet und getötet werden die Schnecken im Spätherbst beziehungsweise Frühwinter. Wenn die Schnecken in eine Art Winterstarre gefallen sind, bildet sich am Eingang des Schneckenhauses ein Häutchen. Die Schnecken werden dann in einer Großküche für längere Zeit in kochendes Wasser gegeben, anschließend aus dem Schneckenhaus herausgenommen und der Eingeweidesack wird großzügig abgetrennt. Gelagert werden die verzehrbereiten, vakumierten Schnecken dann in der Tiefkühltruhe.