Napfschnecken
Victor Kang
Victor Kang
Wissenschaft

Schneckenschleim-Forschung für die Medizin

Ein Team um eine Innsbrucker Forscherin hat den Klebstoff einer Schnecke erforscht. Die Ergebnisse könnten die Entwicklung eines Klebers voranbringen, der völlig neue Möglichkeiten bietet und vor allem im medizinischen Bereich seine Stärken ausspielt.

Die Gemeine Napfschnecke (Paella vulgata) schafft es, sich extrem fest an Felsen an Meeresküsten anzuhaften, kann sich aber auch wieder lösen, um zu fressen. Seit über hundert Jahren staunen Forscher über diese Möglichkeit. Ein Team um die Zoologin Birgit Lengerer von der Universität Innsbruck und der Universität Mons in Belgien hat nun die Zusammensetzung des klebrigen Schleims analysiert.

Napfschnecken auf Stein
Victor Kang
Die Anhaftung der Napfschnecken ist stark genug, um einen schweren Stein an einer Napfschnecke hochzuheben

Den Wechsel zwischen dem Festklebe- und Bewegungsmodus schafft die Schnecke aber nicht etwa mit Hilfe von Saugnäpfen. Die Forscher konnten zeigen, dass die Schnecke einen stark klebrigen Schleim aus Proteinen und Kohlehydraten nutzt, den sie an ihrer Unterseite produziert. Der Schleim ist sehr komplex aufgebaut. Manche Zutaten kannten die Forscher schon von anderen Meerestieren wie Seesternen, Seeigeln oder Seeanemonen. Letztere haften aber permanent an Oberflächen.

Enzyme und Zucker könnten Kleber lösen

Was die Schnecke befähigt, sich wieder loszulösen, ist noch nicht ganz erforscht. Lengerer vermutet, dass die Schnecke mit Hilfe besonderer Enzyme die Kleber-Proteine wieder abbaut. Auch gewisse Zuckerverbindungen dürften den Schnecken verhelfen, sich von den Felsen abzukoppeln und in einem Bereich von etwa eineinhalb Meter auf die Suche nach Algen und Mikroorganismen zu gehen.

Napfschnecke
Victor Kang
Die Napfschnecke bewegt sich in ihrer aktiven Phase bis zu 1,5 Meter um Algen abzugrasen. Hier in einem Aquarium der Universität Cambridge

Die Forschungen könnten besonders für die Entwicklung eines medizinischen Klebers interessant sein, etwa für Operationen oder im Zahnbereich. Einerseits geht man davon aus, dass das Milieu im Meeresbereich dem Milieu im Menschen ähnlich ist und andererseits der Kleber ungiftig ist. In weiterer Folge ist die Idee, Kleber zu entwickeln, die sich wieder lösen lassen. Bis dahin werde aber noch viel Forschungsarbeit notwendig sein, sagt Lengerer.

Auch in Haushalt und Industrie brauchbar

Auch in anderen Bereichen könnten solche Biokleber heutigen handelsüblichen Klebern weit überlegen sein: Sie sind äußerst stark, ungiftig, haften schnell, und sind biologisch abbaubar. Neben der Medizin könnten sie auch im Haushalt oder der Industrie zur Anwendung kommen. „Mit der Analyse des Napfschneckenklebstoffes ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung getan“, sagt Lengerer.