Ende April 1945 wurde das Konzentrationslager Dachau geräumt. Die SS zwang tausende der völlig entkräfteten, halb verhungerten Gefangenen, das Lager zu verlassen. Sie sollten vor den anrückenden US-Truppen „versteckt“ und fortgeschafft werden.
Mit der Eisenbahn wurden die Gefangenen nach Tirol gebracht. Schon auf der dreitägigen Zugfahrt starben viele der ausgemergelten Gefangenen. In Reith bei Seefeld begann der Todesmarsch: Bomben hatten die Zugstrecke dort zerstört, deshalb wurden die gezeichneten Häftlinge zu Fuß weitergetrieben – vor den Augen der Tiroler Bevölkerung. Einige der damaligen Augenzeugen erinnern sich an den schockierenden Anblick des Todesmarsches. Es war ein Anblick, den sie nie mehr vergessen sollten.
Verbrechen plötzlich im eigenen Dorf
Viele der Einheimischen wollten bis dahin nichts von den Verbrechen des NS-Regimes wissen. Mit dem Todesmarsch wurden die Verbrechen plötzlich real. Er forderte zahlreiche Opfer: Viele starben an Erschöpfung oder durch das Wachpersonal. Einige wenige Häftlinge konnten im Chaos des Marsches entkommen, berichtete die Tochter eines damaligen Helfers.
Friedhof erinnert an die Opfer
Anfang Mai, nur wenige Tage später, wurden die Gefangenen von den Amerikanern befreit. Für viele war das bereits zu spät: Zahlreiche Tote des Todesmarsches wurden in Seefeld bestattet. Wie viele genau, ist unklar. Auf einer Gedenktafel am Seefelder Waldfriedhof ist von 63 namentlich nicht bekannten Toten die Rede. Auch ein Denkmal erinnert heute an dieses finstere Stück Geschichte und seine Opfer.
Im April dieses Jahres, 75 Jahre nach dem Todesmarsch und nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, war eine große Gedenkfeier geplant. Aufgrund der Corona-Verordnungen wurde die Gedenkfeier von April auf Mai verlegt, am Dienstag wurde sie im sehr kleinen Rahmen abgehalten.
Verbrechen, als es bereits Hoffnung gab
Man habe sich dafür entschieden, um die Gedenkfeier noch möglichst nahe zum tatsächlichen Jahrestag abzuhalten, erklärte Günther Lieder, der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg. Gerade die Todesmärsche seien für ihn eines der grausamsten Verbrechen des Nationalsozialismus, weil sie durchgeführt wurden, als der Krieg bereits zu Ende war, und es in der Bevölkerung wieder Hoffnung gab.
Es sei wichtig, auch an diese letzten Opfer der Nazis zu erinnern, erklärte auch Rabbiner Schlomo Hofmeister. Die Konzentrationslager und ihre Namen seien weitläufig bekannt, die Todesmärsche würden in der Erinnerung oft zu kurz kommen. Auch deshalb sei das Denkmal am Seefelder Waldfriedhof wichtig.