Sonne am Himmel
ORF
ORF
Politik

Mahnschreiben an Politik zum Klimaschutz

Unter dem Titel „Wann wenn nicht jetzt“ haben Wissenschafter und Klimaschutz-Bewegungen offene Briefe an die Tiroler Landesregierung geschickt. Der Grundtenor der Schreiben ist, der Klimakrise mit der gleichen Professionalität zu begegnen wie der Coronaviruskrise.

In dem offenen Brief unter dem Titel „Wann, wenn nicht jetzt“ der „Scientists for Future – Tirol und Vorarlberg“, der „Initiative Nachhaltige Universitäten Innsbruck“ und der „Austrian Biologist Association – Regionalgruppe Westösterreich“, wird gefordert, die Chance aus der Coronaviruskrise zu ergreifen. Die aus dem Klimawandel resultierende Krise liege noch vor uns. „Wenn nicht jetzt gegengesteuert wird, wird diese weit katastrophaler enden, als alle Szenarien, die im Zusammenhang mit Covid-19 denkbar sind.“

Brief mit Zweigen und Sonne im Hintergrund
Hermann Hammer
Der Brief der „Scientists for Future“ an die Tiroler Landesregierung

Förderungen sollten mit Auflagen verknüpft werden

Daher gelte es, die als zentralen Punkt im Regierungsprogramm der Bundesregierung verankerte Klimaneutralität bis 2040 ernsthaft und konsequent voranzutreiben. Die hierzu nötigen politischen Entscheidungen seien nicht minder herausfordernd und könnten nicht aufgeschoben werden. Die Ähnlichkeit der Krisensituationen biete auch eine große Chance, die Überwindung von zwei global getriebenen Bedrohungen durch eine gemeinsame Strategie zu bewerkstelligen. Die Verfasser des Briefes fordern vor allem eine Koppelung finanzieller Unterstützung an gewisse Bedingungen.

Weniger Kohlenstoff-Ausstoß im Verkehr

So soll es verpflichtende Auflagen zu Reduktion und Ausstieg aus Treibhausgasemissionen geben. Besonders im Tourismussektor sollten die Auflagen an den Nachhaltigkeitszielen der UN Agende 2030 ausgerichtet sein. Weiters wird ein emissionsfreier öffentlicher Verkehr gefordert wie auch Maßnahmen zur Kohlenstoffreduktion im Individual- und Güterverkehr. In der Land- und Forstwirtschaft soll es Auflagen zur Speicherung von Kohlenstoff in Holz oder Boden geben.

Neben der nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln wird in dem Schreiben auch eine Diversität von Klein- und Mittelbetrieben in allen Sparten gefordert. Alle in Tirol lebenden Menschen seien zudem sozial abzusichern und Kinder vor Armut zu bewahren.

Felipe äußert sich positiv zum Schreiben

Die Tiroler Umweltländesrätin und LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) äußerte sich in einem Antwortschreiben positiv zu den vorgebrachten Anliegen. Sie werte den Appell als große Unterstützung für ihre bisherigen und kommenden Bemühungen in dieser Frage, so Felipe. Man fordere zu Recht, das aus der COVID-Krise Gelernte auf den Umgang mit dem Klimawandel umzulegen.

So schreibt Felipe, Warnungen der Wissenschaft müssten ernst genommen werden. Im Bezug auf die Klimakrise dürfe man nicht den Fehler wiederholen, Warnungen zu lange zu ignorieren. Weiters gelte es, auf eine demokratische Legitimation der gewählten Maßnahmen und Aktionen zu pochen. Außerdem müsse im Kampf gegen die Klimakrise sichergestellt werden, dass die Maßnahmen bestehende Ungleichheiten reduzieren. Die bisherige Entwicklung in der COVID-Krisenbewältigung habe nämlich gezeigt, dass Ungleichheiten verschärft würden, so Felipe.

Der Umgang mit dem Klimawandel könne nur in einem globalen Kraftakt geschafft werden, schreibt Felipe. Maßnahmen auf Basis fachlicher Expertise müssten unmissverständlich formuliert und konsequent kommuniziert werden. In spürbarer Not besinne sich der Mensch auf die Kooperation zurück, Die Welle der Solidarität sei aber zu schnell wieder abgeebbt, so Felipe mit Blick auf die Coronaviruskrise. Für die Haltung der Solidarität und Kooperation in der Bekämpfung des Klimawandels brauche es rationale Erklärungen und nicht nur emotionale Bekenntnisse.

Schwarzl: Klimakrise verlangt volle Aufmerksamkeit

Die grüne Innsbrucker Vizebürgermeistern Uschi Schwarzl sagt, man sehe die Lehren aus der Coronaviruskrise ähnlich wie die Wissenschafterinnen und Wissenschafter um den Innsbrucker Klimaforscher Georg Kaser: Wenn die Dringlichkeit von Maßnahmen von über 90 Prozent der Expertinnen und Experten gleich bewertet werde, dann sei das ein ganz klares Indiz für die Notwendigkeit eines beherzten, zielgerichteten und raschen politischen Handelns – und zwar auch dann, wenn die Gefahr noch nicht für alle spürbar oder noch nicht vorstellbar sei. Trotz des Coronavirus verlange die Klimakrise die volle Aufmerksamkeit und volles Engagement, so Schwarzl.

Schreiben von drei Klimaschutzbewegungen

In einem weitern Schreiben von drei Klimaschutbewegungen unter dem gleichen Titel heißt es, die Coronavirus-Pandemie habe gezeigt, wie katastrophal es sei, unvorbereitet in eine Krise zu schlittern. Was die Klimakrise betreffe, könne man sich jetzt entscheiden, ob man mit voller Wucht in einer nächsten und noch kostenintensiveren Krise aufschlagen wolle oder vorausschauend umsteuere. Gerade jetzt müsse man darauf achten, wie die Weichen für die Zukunft gestellt werden, heißt es in dem Brief. Es gelte, die Chance der gegenwärtigen Situation wahrzunehmen.

Kritik an „vergessenem“ Dringlichkeitsantrag

Kritik am Land gibt es dabei von der Fridays for Future Bewegung. Man habe sich bereits im Juni 2019 mit einem Dringlichkeitsantrag an die Tiroler Landesregierung gewandt und der Antrag sei auch einstimmig angenommen worden. Es mache den Eindruck, der Antrag sei in Vergessenheit geraten. Gefordert hatte man die Erarbeitung einer neuen Tiroler Klimastrategie, die dem Landtag bis Ende 2020 zum Beschluss vorgelegt werden sollte.

Außerdem verweist Fridays for Future Innsbruck darauf, dass man mit den jetzt nötigen Konjunkturgeldern die Chance habe, negative Folgen des Wirtschaftsabschwungs abzufangen und Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Investitionen müssten auf ihre ökologische Tragfähigkeit überprüft werden.

Hilfspakete „schlau einsetzen“

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Sprecherin des Klimavolksbegehrens, Katharina Rogenhofer. Gerade in Zeiten der Krise, in denen Geld in die Hand genommen werden müsse um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen, habe man die Chance, aus vergangenen Fehlern zu lernen und „Hilfspakete schlau einzusetzen“, so Rogenhofer.

Werde jetzt darauf geachtet, dass Konjunkturpakete einerseits fördernd für die Wirtschaft eingesetzt werden und andererseits das Klima schützen, bedeute dies eine Win-Win-Situation für Wirtschaft, Umwelt und Menschen. Rogenhofer sieht etwa allein in der österreichischen Photovoltaik-Branche bis zu 200.000 zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung

Die Bewegung „Extinction Rebellion“ fordert eine vermehrte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Zu wichtigen Themen sollten Bürgerräte einberufen werden, die unter anderem auch bei der Begutachtung von Gesetzen einbezogen werden sollten.

Extinction Rebellion Tirol fordert Räte zu Themen wie Energiewirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Mobilität oder Tourismus. Dahinter stehe letztlich eine Forderung nach mehr Demokratie, heißt es dazu von einem Sprecher der Bewegung. Die Forderung gewöhnlicher Bürgerinnen und Bürger gebe der Regierung die Legitimität zu handeln und erlaube überparteiliche Unterstützung für ihre Anliegen.

Mann mit Sonnenbrille steht hinter Protestschild gegen den Klimawandel
Fridays for Future
Protest gegen den Klimawandel

Erster globaler Online-Klimastreik

Zum ersten weltweiten Online-Klimastreik rief die Klimaschutzbewegung Fridays for Future für den Freitag aufn. Statt wie bisher auf den Straßen zusammen mit vielen tausenden Menschen machten diesmal im Internet Klimaexperten, Ärzte und viele Freiwillige in Gesprächen und mit Schildern auf die Klimakrise aufmerksam.