Intensivstation
Gerhard Berger
Gerhard Berger
Coronavirus

Intensivstation: Der lange Weg zurück

Die vollständige Genesung von Covid-19-Patienten, die künstlich beatmet werden mussten, dauert Wochen, mitunter auch Monate. Das sagt Intensivmediziner Stephan Eschertzhuber vom Krankenhaus Hall. Die Belastung für den Körper ist enorm, der Weg zurück ein weiterer Kraftakt.

Man ist dieser Tage bemüht, aus den Spitälern auch gute Nachrichten zu verbreiten. Zwei Südtiroler seien auf dem Weg der Besserung, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung der tirol kliniken, zu denen auch das Krankenhaus Hall gehört. Von dort wird eine 44-jährige Frau Ende der Woche nach Hause entlassen. Sie wurde eine Woche lang künstlich beatmet.

Ein 24-jähriger Südtiroler konnte am Dienstag extubiert werden. Der junge Mann wurde 25 Tage lang künstlich beatmet. In den nächsten Tagen kann er auf die Normalstation verlegt werden.

Stephan Eschertzhuber, Primar der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin am Landeskrankenhaus Hall.
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Stephan Eschertzhuber, Primar der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin am Landeskrankenhaus Hall

Patienten sind „gezeichnet“

Die beiden Südtiroler, die Ende März nach Tirol gebracht wurden, um die immer noch angespannte Lage in Südtirol zu entlasten, gehören zu dem rund einem Prozent der Covid-19-Erkrankten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Wie geht es diesen Patienten nacher, nach wochenlanger intensivmedizinischer Betreuung?

„Diese Patienten sind gezeichnet“, sagt Intensivmediziner Stephan Eschertzhuber: „Der junge Mann kann zwar jetzt wieder in einem speziellen Stuhl neben dem Bett sitzen. Man kann mit ihm sprechen, aber er ist sehr mitgenommen. Er hatte keine Vorerkrankungen. Alle Organe, mit Ausnahme der Lunge, waren bei ihm aber wenig beeinträchtigt.“

Breites Spektrum an Folgen

Für andere Intensivpatienten kann die Zeit nach der Intensivstation viel dramatischer sein. Das Spektrum ist breit, sagt Eschertzhuber: „Viel hängt davon ab, in welchem Zustand die Betroffenen vor der Erkrankung waren. Das Alter spielt da keine so große Rolle. Aber prinzipiell ist jeder Intensivaufenthalt schlimm. Bei Vorerkrankungen werden bei vielen Patienten weitere Organe geschädigt, wie die Leber, die Niere, das Herz, das Kreislaufsystem. Eine intensivmedizinische Betreuung ist kein Spaziergang. Die Zeit, bis diese Menschen wieder vollends hergestellt sind, dauert lange.“

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Intensivpatienten sind sediert, aber nicht im Tiefschlaf.

Muskelschwäche, Schlafprobleme, Delir

Nach der langen Liegezeit kommt es zu einem Muskelabbau, es können Muskeln wie Nerven geschädigt werden, so Primar Eschertzhuber: „Es kann Sensibilitätsstörungen an den Extremitäten geben oder zu einer Muskelschwäche kommen. Organe, die schon vor der aktuellen Erkrankung beinträchtigt waren, oder wegen Nebenwirkungen von Medikamenten zusätzlich geschädigt wurden, sind beim Zeitpunkt der Entlassung möglicherweise noch nicht wieder voll funktionsfähig. Patienten berichten auch von Störungen des Schlafrhythmus. Und wir haben auch immer wieder Patienten, die danach Albträume entwickeln, weil sie die Geschehnisse auf der Intensivstation unterschiedlich wahrnehmen.“

Ärzte sprechen von einem „Delir“, wenn Patienten durch den Aufenthalt auf der Intensivstation von Erlebnissen berichten, die gar nicht stattgefunden haben. Die Patienten werden nicht wie bei einer Operation in einen Tiefschlaf versetzt, sondern nur so weit sediert, dass sie den Beatmungsschlauch in der Luftröhre akzeptieren. „Wir sind darauf angewiesen, dass die Patienten etwas mitarbeiten, dass sie zum Beispiel mitatmen mit dem Beatmungsgerät, und wir wünschen uns, dass die Patienten noch einen Muskeltonus haben.“

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Primar Eschertzhuber lobte sein Team ausdrücklich. Vor allem das Pflegepersonal sei in Tagen wie diesen sehr belastet.

Der junge Südtiroler wird die Intensivstation vermutlich ohne körperliche Schäden verlassen können. Viele andere müssen sich aber wohl noch lange, wenn nicht lebenslang, in Therapien begeben, um die Gesundheit des Körpers, der Psyche, der Seele wiederherzustellen.