Jodelnde Frauen
ORF
ORF
Chronik

Tiroler machten das Jodeln populär

Das Phänomen des Jodelns kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken, wobei Tirol eine zentrale Rolle spielt. Nun wurde mit dem Projekt „Tirolerei in der Schweiz“ dem Phänomen näher auf den Grund gegangen. Auch ein Buch soll hierzu demnächst erscheinen.

Ein Team an der Universität Innsbruck hat nun die Geschichte des Jodelns näher beleuchtet und dabei die historischen Entwicklungen zwischen Tirol und der Schweiz verglichen. Dabei wird die Entwicklung des Phänomens vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart zurückverfolgt.

Jodeln als Exportschlager aus Tirol

International bekannt und populär wurde das Jodeln ab dem 19. Jahrhundert dank Tiroler Sängergruppen. Diese machten es somit auch in der Schweiz beliebter und verschafften Tirol in diesem Bereich einen großen kulturellen Einfluss auf die Eidgenossenschaft. Tirol exportierte seine Jodellieder nicht nur in die Schweiz, sondern um 1850 herum auch quer durch Europa und sogar in die USA.

Anfang des 20. Jahrhunderts ruderte schließlich der extra dazu gegründete Eidgenössische Jodlerverband (EJV) dagegen und wollte ein schweizerisches Jodeln stärken. Die sogenannte „Tirolerei“ sollte damit wieder zurückgedrängt werden. Das entsprach auch dem damaligen Zeitgeist, als der Nationalismus in Europa bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts wieder erstarkte.

Jodeln als „urdeutsches Kulturgut“

Andererseits erlebte das Jodeln selbst durch nationalistisches Denken eine gewisse Aufwertung. Nicht selten diente es Ende des 19. Jahrhunderts für politische Zwecke. „Zudem wurde das Jodeln von einigen Jodelexperten als urdeutsches Kulturgut definiert“, erklärt Raymond Ammann von der Universität Innsbruck. Als Musikethnologe hat er für das aktuelle Forschungsprojekt die gesellschaftliche Wirkung des Jodelns in Tirol und der Schweiz erforscht. Bereits während der Napoleonischen Kriege wirkte das Jodeln identitätsstiftend gegen die Franzosen und die Bayern.

Jodelnde Frauen
ORF
Jodeln diente lange Zeit als zusammenhaltstiftendes Element, wurde aber auch zur Abgrenzung gegenüber anderen genutzt

Jodeln als zusammenhaltsstiftendes Element

Musikvolksfeste, wie etwa die Unspunnenfeste in Interlaken bei Bern, gaben in der Schweiz Anlass die eigenen Traditionen zu pflegen. Dabei wurde auch das Jodeln in seiner schweizerischen Ursprungsform erhalten. Da das Tiroler Lied mit Jodelteilen stark an Boden gewonnen hatte, wurde schließlich im 20. Jahrhundert versucht eine eigene schweizerische Jodelart wieder mehr zu stärken.

Während des Nationalsozialismus wurde das Jodeln besonders instrumentalisiert als Element der eigenen Identität. Zur besseren Abgrenzung gegenüber der Jodelei in Nazideutschland wurde in der Schweiz 1943 eine eigene Anleitung herausgebracht, wie korrekt schweizerisch gejodelt wird.

Schweizer Fahne
Pixabay
Mit Erstarken des Nationalismus wurde das Jodeln in seinen lokalen Formen bestärkt. Heute hat es viel von seinem Patriotismus-Beigeschmack wieder verloren.

Bedeutungsverlust und Comeback

In den 1960er und 1970er Jahren interessierte sich die urbane Bevölkerung immer weniger für das Jodeln. Vor allem behielt es seinen Patriotismus-Beigeschmack. Mit der Jahrtausendwende erlebte das Jodeln wieder einen Popularitätsgewinn und wurde vor allem in der urbanen Mittelschicht wieder beliebt. Dabei wird es aber heute vor allem als Form des musikalischen Ausdrucks geschätzt und nicht mehr dermaßen als Form der Identitätsbildung und kulturellen Abgrenzung von anderen.

Forschungsprojekt erscheint als Buch

Für den Popularitätzuwachs, den das Jodeln in jüngerer Vergangenheit verzeichnete, hat Ammann einen Erklärungsansatz. „Aus dem Austropop ging die Neue Volksmusik hervor, mit anfangs satirischen Inhalten, die in den 1990er-Jahren durch ihren Heimatbezug und ihre musikalische Intensität bei den Zuhörern Gemütsbewegungen auslöste“, so der Musikethnologe. Auch habe die Offenheit für Weltmusik wieder zugenommen, was dem Jodeln auch zugutekam.

Für das Frühjahr 2020 plant Ammann, sein Forschungsprojekt als Buch herauszubringen. Es soll unter dem Titel „Tirolerei in der Schweiz“ im Universitätsverlag Wagner erscheinen.