Schublade mit Medikamenten im Krankenhaus
ORF.at/Birgit Hajek
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Gesundheit

Wenn kein Antibiotikum mehr hilft

Krankheitserreger, gegen die nur noch wenige Medikamente etwas ausrichten, treten immer häufiger auf. Viele fürchten, dass sie zu einer großen Bedrohung werden könnten. Wie gefährlich sind diese multiresistenten Keime wirklich? ORF Tirol hat Experten gefragt.

Die Leiterin der Bakteriologie in Innsbruck, Dorothea Orth-Höller, warnt vor übertriebener Panikmache, weiß aber um die Bedrohung, die von multiresistenten Keimen ausgeht. In Österreich sei die Situation noch nicht beängstigend, die Zeit zum Handeln aber gekommen. Orth-Höller wünscht sich hierbei eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ärzten, der Politik und der Pharmaindustrie.

verschiedene Antibiotikapackungen
ORF
Antibiotika treten in vielen Formen auf

Leichtfertiger Umgang mit Antibiotika als Hauptgrund

Oft würden verfrüht und zu viel Antibiotika verschrieben, meint der Geschäftsführer des Pharmakonzerns Novartis, Michael Kocher. Auch Orth-Höller betont, dass ein Antibiotikum gegen Virus-Infektionen nichts ausrichten würde. Im Gegenteil: Dadurch gebe man den Keimen die Chance, Resistenzen zu erzeugen. Nur bei den sehr seltenen bakteriellen Infektionen sollten Antibiotika verschrieben werden.

Der Präsident der Tiroler Ärztekammer, Artur Wechselberger, ist der Meinung, dass die Ärzte sehr wohl nach diesem Grundsatz handeln würden. Oft sei es aber gerade für niedergelassene Ärzte schwierig herauszufinden, ob ein Bakterium oder ein Virus die Krankheitsursache ist. Die Verfahren zur genauen Diagnose würden oft sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, so Wechselberger.

Antibiotikum soll nicht vorzeitig abgesetzt werden

Sowohl Orth-Höller als auch Wechselberger weisen darauf hin, dass Antibiotika, wenn sie dann einmal verschrieben worden sind, nicht zu früh abgesetzt werden dürfen. Auch die richtige Dosierung ist entscheidend. Eine zu geringe Dosierung würde die Entstehung multiresistenter Keime befördern, so Orth-Höller. Speziell auf diesem Gebiet wolle man weiter Bewusstseinsbildung betreiben.

Ein weiterer Ansatzpunkt, um der Bedrohung durch multiresistente Keime Herr zu werden, ist auch die Massentierhaltung. Die Verabreichung von Antibiotika würde dort nachweislich die Entstehung von resistenten Erregern befördern, so die Ärztin. Wechselberger nimmt hierzu die Öffentlichkeit in die Verantwortung. Mit unserem Konsumverhalten würden wir den Verkauf von unsauberem Fleisch weiter fördern.

Dorothea Orth-Höller
Dorothea Orth-Höller
Dorothea Orth-Höller warnt vor Panikmache aber auch vor leichtfertigem Umgang mit Antibiotika

Multiresistente Keime sind kein Todesurteil

Wer einen multiresistenten Keim in sich trägt, ist nicht zwingend in Gefahr. Für jemanden, dessen Imunsystem allerdings ohnehin schon geschwächt ist, können sie sehr gefährlich werden. Deshalb werde speziell in Kliniken darauf geachtet, dass sich die Keime nicht ausbreiten, so Orth-Höller.

Zu der Anzahl an Todesfällen auf Grund von multirestistenten Keimen könne man keine Angaben machen. Auch wenn jemand einen solchen Erreger in sich trägt und stirbt, muss nicht zwingend dieser Keim die Todesursache gewesen sein.

Erforschung neuer Mittel ist teuer

Alles in allem sei die Zahl an Erregern, gegen die nur noch wenige Medikamente etwas ausrichten können, in Tirol sehr gering. Und dennoch sehen die Bakteriologin und der Ärztekammer-Präsident ein Problem darin, dass wenige wirklich neue Wirkstoffe an den Markt kommen.

Novartis-Chef Michael Kocher weiß, warum das so ist. Die Erforschung neuer Moleküle für Medikamente sei sehr teuer und der zu erwartende Ertrag gering. Kocher warnt vor der Bedrohung durch multiresistente Keime, betont aber, dass die Pharmaindustrie das Problem nicht allein lösen könne. Auch er wünscht sich hier eine engere Zusammenarbeit und hofft darauf, dass man der Bedrohung somit Herr werden kann.